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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Die Stimme gehörte einem flotten jungen Alpha, der mit einer schwarzen Blechkassette in der Hand eintrat. Ein Murmeln der Befriedigung durchlief die erwartungsvolle Menge. Sie hatten den Wilden vergessen, ihre ganze Aufmerksamkeit galt der schwarzen Schatulle, die der junge Mann auf den Tisch gestellt hatte und nun aufschloß. Der Deckel hob sich.
    »Aa-ah!« sagten die hundertzweiundsechzig Deltas alle zugleich, wie bei einem Feuerwerk.
    Der junge Mann nahm eine Handvoll winziger Pillenschächtelchen heraus. »Vortreten!« kommandierte er.
    »Aber immer nur einer, ohne zu drängeln!«
    Immer nur einer, ohne zu drängeln, näherten sich die Dutzendlinge. Erst zwei männliche, dann ein weiblicher, wieder ein männlicher, dann drei weibliche, dann Der Wilde stand da und sah zu. »O schöne neue Welt, schöne neue Welt...« Die Melodie der Worte in seinem Kopf schien sich zu ändern. Sie hatten ihn bei seiner tiefsten Trauer und Reue im scheußlichsten Ton zynischen Spotts verhöhnt; mit dämonischem Gelächter hatten sie die schmutzige Gemeinheit, die würgende Häßlichkeit seines Alp traums verschärft. Jetzt aber waren sie eine Trompete, die zu den Waffen rief. »O schöne neue Welt!« Die Worte verkündeten, daß Schönheit doch noch möglich war und sogar dieser Alptraum in etwas Edles und Menschenwürdiges verwandelt werden konnte. »O schöne neue Welt!« war eine Herausforderung, ein Befehl.
    »Ohne zu drängeln, habe ich gesagt!« schrie der Hilfssäckelwart wütend. Er warf den Deckel der Schatulle zu.
    »Ich stelle die Verteilung ein, solange nicht anständiges Benehmen herrscht!«
    Die Deltas brummten, stießen einander noch ein wenig und waren ruhig. Die Drohung hatte gewirkt. Somaentzug - eine grauenvolle Vorstellung!
    »So ist's schon besser«, sagte der junge Mann und öffnete die Kassette wieder.
    Filine hatte als Sklavin gelebt, Filine war gestorben.
    Aber die anderen sollten frei sein, und die Welt sollte wieder schön werden. Eine Sühne, eine Pflicht! Und plötzlich war dem Wilden sonnenklar, was er tun mußte - als wäre ein Fensterladen geöffnet, ein Vorhang weggezogen worden.
    »Der nächste!« sagte der Hilfssäckelwart.
    Wieder trat etwas Weibliches in Khaki vor.
    »Halt!« schrie der Wilde laut und schallend. »Halt!«
    Er drängte sich durch die Menge der erstaunt starrenden Deltas bis zu dem Tisch.
    »Allmächtiger Ford!« hauchte der Mann hinter der Schatulle. »Der Wilde!« Er bekam Angst.
    »Hört mich an, ich bitt euch!« rief der Wilde in tiefem Ernst. »Leiht euer Ohr mir -« Er hatte noch nie öffentlich gesprochen und fand es jetzt sehr schwierig, auszudrücken, was er sagen wollte. »Nehmt dieses ekle Zeug nicht. Es ist Gift!«
    »Hören Sie, Herr Wilder«, sagte der Hilfssäckelwart und lächelte beschwichtigend. »Seien Sie doch so nett und lassen Sie mich -«
    »Gift für die Seele und den Körper!«
    »Stimmt, stimmt, aber lassen Sie mich weiterverteilen, ja? Seien Sie doch so ne tt!« Mit behutsamer Zärtlichkeit, wie man ein gefährliches Tier berührt, klopfte er dem Wilden den Arm. »Lassen Sie mich weiterver -«
    »Niemals!« rief der Wilde.
    »Hören Sie doch nur, mein Bester -«
    »Werft weg dies ekle Gift!« Der Begriff »Wegwerfen« drang durch die schützenden Hüllen von Verständnislosigkeit ins Innerste des Deltabewußtseins. Zorniges Murmeln erhob sich.
    »Ich bringe euch die Freiheit!« rief der Wilde, wieder zu den Dutzendlingen gewandt. »Ich bringe -«
    Mehr hörte der Hilfssäckelwart nicht; er war aus der Halle geschlüpft und suchte eine Nummer im Telefonbuch.
    »Weder in seiner Wohnung«, faßte Sigmund zusammen, »noch in meiner oder deiner. Auch nicht im Eldorado, nicht in der Zentrale und nicht in der Hochschule. Wohin kann er nur gegangen sein?«
    Helmholtz zuckte die Achseln. Sie waren von der Arbeit gekommen und hatten damit gerechnet, daß der Wilde sie an einem ihrer üblichen Treffpunkte erwarten werde.
    Aber nirgends eine Spur von ihm! Das war verdrießlich, denn sie hatten eine kleine Spritztour nach Biarritz in Helmholtzens viersitzigem Sportikopter geplant. Wenn er nicht bald auftauchte, kämen sie zu spät zum Essen.
    »Warten wir noch fünf Minuten«, sagte Helmholtz.
    »Wenn er bis dahin nicht da ist, werden wir - «
    Er wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen und nahm den Hörer ab. »Hallo? Am Apparat.« Er hörte lange Zeit zu. »Ford im Kraftwagen!« fluchte er. »Ich komme gleich!«
    »Was ist los?« fragte Sigmund.
    »Ein

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