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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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tun.«
    »Klar«, antwortete Alvis.
    »Kannst du dich um Dee Moray kümmern? Dafür sorgen, dass sie gut nach Amerika zurückkommt?«
    »Warum? Willst du wohin, Pasquale?«
    Pasquale griff in die Tasche und überreichte Alvis das Geld von Michael Deane. »Und gib ihr das.«
    »Natürlich. Aber wo willst du denn hin?«
    »Danke.« Wieder zog Pasquale es vor, die Frage nicht zu beantworten, aus Furcht, nicht mehr die Kraft für sein Vorhaben aufbringen zu können, wenn er es laut ausgesprochen hatte.
    Inzwischen war Tomassos Boot schon fast am Pier. Pasquale klopfte seinem amerikanischen Freund auf den Arm und ließ den Blick über das kleine Dorf streichen. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort im Hotel. In der Küche machte Valeria Frühstück. Das tat sie sonst nie, obwohl Carlo ihr jahrelang erklärt hatte, dass ein Hotel, das auf französische und amerikanische Gäste hoffte, Frühstück anbieten musste. (Das ist eine Mahlzeit für Faule , sagte sie immer. Nur ein Tagedieb erwartet ein Essen, bevor er was gearbeitet hat.) Doch an diesem Morgen backte sie französische Brioche und braute Espresso.
    »Kommt die amerikanische Hure zum Essen herunter?«, fragte Valeria.
    Hier war er, der Moment, in dem sich klären musste, wer er sein würde. Nach kurzem Zögern stieg Pasquale die Treppe hinauf, um nachzufragen, ob Dee Moray Hunger hatte. An dem hellen Spalt unter ihrer Tür konnte er erkennen, dass ihre Fensterläden offen waren. Mit einem tiefen Atemzug wappnete er sich innerlich und klopfte leise an die Tür.
    »Herein.«
    Sie saß im Bett und band gerade das volle Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Ich kann nicht glauben, wie lang ich geschlafen habe. Wie müde man ist, merkt man erst nach zwölf Stunden Schlaf.« Sie lächelte ihn an.
    In diesem Moment zweifelte Pasquale ernsthaft, jemals die Kluft zwischen seinen Absichten und seinen Wünschen überwinden zu können.
    »Du siehst gut aus, Pasquale.« Sie starrte auf ihre Kleider, die sie schon auf dem Weg zum Zug getragen hatte: enge schwarze Hose, Bluse und Wollpulli. Sie lachte. »Ich glaube, meine Sachen sind noch alle am Bahnhof in La Spezia.«
    Pasquale sah zu Boden.
    »Alles in Ordnung, Pasquale?«
    »Ja.« Er fing ihren Blick auf. Wenn er nicht im selben Zim mer war wie sie, wusste er genau, was richtig war, aber sobald er diese Augen sah … »Kommst du hinunter für Frühstück? Gibt Brioche. Und Caffè.«
    »Ja«, antwortete sie. »Sofort.«
    Alles andere konnte er nicht aussprechen. Mit einem angedeuteten Nicken wandte sich Pasquale zum Gehen.
    »Danke, Pasquale.«
    Als er seinen Namen hörte, musste er sich wieder umdrehen. Der Blick in ihre Augen war, als würde er vor einer angelehn ten Tür stehen. Wie konnte man die Tür nicht aufschieben, um zu erfahren, was dahinter lag?
    Sie lächelte ihn an. »Erinnerst du dich, an meinem ersten Abend hier waren wir uns doch einig, dass wir uns alles sagen? Dass wir nichts zurückhalten?«
    »Ja«, brachte Pasquale hervor.
    Sie lachte unsicher. »Merkwürdig. Vorhin nach dem Aufwachen wurde mir klar, dass ich keine Ahnung habe, was ich jetzt machen soll. Soll ich das Baby kriegen … soll ich weiter als Schauspielerin arbeiten … soll ich in die Schweiz fahren … oder zurück in die Staaten. Ich habe wirklich keine Ahnung. Trotzdem hab ich mich gut gefühlt nach dem Aufwachen. Und weißt du, warum?«
    Pasquale umklammerte den Türknauf. Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mich gefreut, dass ich dich gleich wiedersehe.«
    »Ja, ich auch.« Die Tür schien sich ein wenig zu öffnen, und was er hinter der Schwelle erahnte, quälte Pasquale. Er wollte mehr sagen, wollte alles sagen, was ihm durch den Kopf ging – aber er konnte nicht. Es war keine Frage der Sprache; er bezweifelte, dass die Worte dafür überhaupt in irgendeiner Sprache existierten.
    »Also, ich komme gleich runter.« Als er sich gerade abwenden wollte, öffnete sie noch einmal den Mund, und die Worte flossen wie Wasser über ihre Lippen. »Dann können wir vielleicht darüber reden, was als Nächstes passiert.«
    Als Nächstes. Ja. Pasquale merkte nicht, wie er das Zimmer verließ, doch es gelang ihm. Er zog die Tür hinter sich zu und hielt sich mit einem tiefen Atemzug am Griff fest. Schließlich riss er sich los, gelangte irgendwie zur Treppe und in sein Zimmer. Hastig nahm er die Jacke, den Hut und seine gepackte Tasche, die auf dem Bett bereitlagen, und stieg die Stufen hinunter.
    Am Fuß der Treppe erwartete ihn Valeria.

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