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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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hm?«
    Während Michael kleine Seifenfiguren betrachtet, werden die anderen Mitglieder der Deane-Party allmählich nervös. Unruhig behält Pasquale die Tür im Auge, während sich sein Übersetzer, gekränkt von Saundras SMS -Abfuhr, ein großes Glas kanadischen Whiskey einschenkt. Claire fragt Keith nach dem Theaterstück.
    »Wahnsinnig intensiv, nicht?«, meint Keith. »Debra setzt meistens Kinderkram aufs Programm, Musicals und Ferienschwänke, um die Skifahrer zwei Stunden von den Bergen wegzulocken. Aber einmal im Jahr machen sie und Lydia was Eigenes. Manchmal kriegt sie Ärger mit dem Vorstand, vor allem von den miesepetrigen Christen, aber das war der Deal: Sie macht die Touristen glücklich, und dafür kann sie einmal im Jahr so was raushauen.«
    Inzwischen sind alle Theaterleute eingetroffen – mit Ausnahme von Pat und Lydia. Claire kommt ins Gespräch mit Shannon; sie spielt die junge Frau, die am Anfang des Stücks mit Pat im Bett ist. »Ich hab gehört, Sie sind …« Shannon schluckt und bringt das Wort kaum heraus. »Aus Hollywood?« Sie blinzelt zweimal schnell hintereinander. »Wie ist es da?«
    Obwohl Claire nach zwei Gläsern Wein die Anstrengung der letzten achtundvierzig Stunden spürt, lächelt sie und denkt über die Frage nach. Ja, wie ist es da eigentlich? Sicher nicht so, wie sie es sich erträumt hat. Aber vielleicht ist das in Ordnung. Wir wollen, was wir wollen. Zu Hause quält sie sich bis zur Panik damit herum, was sie nicht hat, und verliert dabei ganz aus den Augen, was sie hat. Sie nimmt sich einen Moment Zeit, um sich umzuschauen – in diesem aus Müll zusammengebauten Apartment auf einer verrückten Künstlerinsel in den Bergen, wo Michael fröhlich Visitenkarten an Seifenkünstler und Schauspieler verteilt mit dem Versprechen, dass er »vielleicht etwas für sie hat«, wo Pasquale nervös auf eine Frau wartet, die er seit fast fünfzig Jahren nicht mehr gesehen hat, wo der bereits betrunkene Shane seinen Ärmel hochgerollt hat, um dem beeindruckten Keith die Herkunft seines Tattoos zu erklären –, und auf einmal begreift sie, dass Pat Bender und seine Mutter und seine Freundin nicht zu dieser Party erscheinen werden.
    »Was? Ja, stimmt«, bestätigt Keith. »Sie gehen nie zur Afterparty. So viel Schnaps und Gras in Reichweite, das würde Pat umbringen.«
    »Wo sind sie?«, erkundigt sich Michael.
    »Wahrscheinlich oben im Blockhaus«, meint Keith. »Bei Dee.«
    Michael Deane fasst Keith am Arm. »Können Sie uns hinbringen?«
    Claire geht dazwischen. »Vielleicht warten wir lieber bis morgen, Michael.«
    »Nein«, erklärt der Anführer der hoffnungstrunkenen Deane-Party. Nach einem Blick auf den alten, geduldigen Pasquale trifft er eine letzte, schicksalhafte Entscheidung. »Fünfzig Jahre reichen. Wir können nicht länger warten.«

19
    Requiem
    April 1962
    Porto Vergogna, Italien
    P asquale erwachte im Dunkeln. Er setzte sich auf und griff nach seiner Uhr. Halb fünf. Er hörte die leisen Stimmen der Fischer und die Boote, die zum Ufer glitten. Er stand auf, zog sich rasch an und hastete durch die einsetzende Dämmerung hinunter zum Meer.
    Tomasso der Kommunist packte gerade seine Ausrüstung ins Boot. »Was machst du hier?«
    Pasquale fragte Tomasso, ob er ihn später zur Totenmesse seiner Mutter nach La Spezia fahren konnte.
    Tomasso legte die Hand auf die Brust. »Natürlich.« Sobald er mit dem Fischen fertig war, würde er zurückkommen und Pasquale abholen. Auf jeden Fall noch vor Mittag. War ihm das recht?
    »Ja, sehr gut«, antwortete Pasquale. »Danke.«
    Sein alter Freund tippte sich an die Mütze und kletterte ins Boot. Dann riss er am Seilzug, und der Motor räusperte sich. Pasquale beobachtete, wie Tomasso zu den anderen Fischern stieß, deren Kähne auf der kabbeligen See schaukelten.
    Zurück im Hotel, ging er wieder ins Bett, doch er konnte nicht mehr einschlafen. Auf dem Rücken liegend dachte er an Dee Moray im Zimmer direkt über ihm.
    Früher waren seine Eltern manchmal im Sommer mit ihm an den Strand von Chiavari gefahren. Als er einmal gerade im Sand grub, sah er plötzlich eine schöne Frau, die sich auf einer Decke sonnte. Ihre Haut schimmerte. Pasquale konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Schließlich packte sie ihre Decke zusammen und winkte ihm zu, bevor sie ging, aber der kleine Pasquale war so hypnotisiert, dass er nicht zurückwinken konnte. In diesem Moment fiel etwas aus ihrer Tasche in den Sand. Er lief hinüber und hob es auf. Ein

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