Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
automatische Sicherheitskontrolle beim Landeanflug abgeschaltet wird. Sie wird stattdessen verbessert werden, so dass ein Ereignis wie in Hamburg nicht wieder vorkommen kann.
Auch wenn es im ersten Moment nicht so erscheint, ist das automatische Lenken eines Autos durch das Verkehrsgewühl einer Großstadt wesentlich schwieriger als das Steuern eines Flugzeugs in einem so gut strukturierten und überwachten Umfeld wie dem europäischen Luftraum. Doch auch dieses Problem ist lösbar. Im Sommer 2008 wurde in einer deutschen Fernsehshow erstmals ein selbststeuerndes Automobil aus der VW-Entwicklungsabteilung live demonstriert. Eine Fernsehmoderatorin ließ sich von dem Fahrzeug durch einen Testparcours kutschieren, in dem es auch unvorbereitet mit spontan auftauchenden Hindernissen umgehen musste. Noch ist die Technik nicht serienreif, doch Autohersteller glauben, um das Jahr 2020 entsprechende alltagstaugliche Modelle anbieten zu können.
Die interessante Frage in diesem Zusammenhang ist weniger, ob es technisch möglich ist, Autos zu bauen, deren Bordcomputer »besser« lenken als Menschen. Die Frage ist, ob wir solche Fahrzeuge überhaupt wollen. Ist ausgerechnet der typische deutsche Autobesitzer bereit, sich freiwillig das Lenkrad aus der Hand nehmen zu lassen? Diese Frage stellt sich auch Matthias Horx zu Recht und beurteilt sie skeptisch.
Sollte es sich allerdings herausstellen, dass eines Tages Computer tatsächlich die besseren Autofahrer sind, so wird dies in mindestens zwei Bereichen unmittelbare Auswirkungen haben. Erstens wird es vermutlich vor allem im Güterverkehr rasch zur Automatisierung kommen, so dass unsere Straßen von computergesteuerten, selbstfahrenden Containern wimmeln werden. Aufgrund der dadurch sinkenden Kosten wird es vielleicht bald viel mehr davon geben als heute von Menschen gesteuerte Lkws.
Zweitens werden die Versicherungsprämien für von Menschen gesteuerte Privatfahrzeuge steigen. Denn wenn sich zeigt, dass Computer weniger Unfälle verursachen, werden sich Versicherungsprodukte entwickeln, die diesen Umstand in der Prämienstruktur berücksichtigen, so wie heute ein Fahranfänger viel mehr für seine Autoversicherung bezahlen muss als eine seit dreißig Jahren unfallfrei fahrende Person. Möglicherweise reicht dieser finanzielle
Anreiz aus, um auch Automatisierungsskeptiker zu überzeugen. Irgendwann wird es dann vielleicht sogar untersagt sein, Autos selbst zu steuern, weil sich zeigt, dass »Selbstfahrer«, ähnlich wie heute Raser auf der Autobahn, nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden.
Kurzweil, ein ausgeprägter Optimist, was die technologische Zukunft angeht, weist Kaczynskis Meinung als Aussage eines »modernen Ludditen« ab. Die Ludditen waren Maschinenstürmer, die sich Ende des 19. Jahrhunderts gegen die zunehmende Industrialisierung Englands zur Wehr setzten und Fabriken zerstörten. Allerdings protestierten sie damals nicht gegen die Technik an sich, sondern gegen die sozialen Begleitumstände, die aus heutiger Sicht kaum vorstellbares Elend über die bis dahin von ihrem Handwerk lebende Bevölkerung brachte.
Hat Kaczynski recht? Sein Argument, dass wir den Maschinen immer mehr Entscheidungen übertragen, weil diese Entscheidungen einfach besser sind, erscheint sehr plausibel. Dies wird umso mehr gelten, je komplexer unsere Welt wird. Damit nähern wir uns tatsächlich einem Zustand an, der einer technischen Singularität im übertragenen Sinn ähnelt.
Wenn wir unsere technische Umwelt eines Tages so wenig verstehen wie Steinzeitmenschen die ihre, dann sind wir darauf angewiesen, dass die Maschinen »nett« zu uns sind. Davor hatte Kaczynski Angst, und ich kann diese Angst durchaus nachvollziehen. Komplexe Systeme neigen zu Fehlern und chaotischen Ausprägungen, und wir werden die Leidtragenden davon sein.
Doch es besteht wohl kein Anlass zu übertriebener Sorge. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Maschinen aus ideologischen oder religiösen Gründen Menschen umbringen werden, wie wir biologischen Wesen das seit Jahrtausenden tun. Und da sie nicht in direkter Konkurrenz zu uns stehen, sondern im Gegenteil von unserer Pflege und Weiterentwicklung profitieren, haben sie auch sonst keinen Grund, uns schlecht zu behandeln oder gar Kriege gegen uns zu führen.
Der Schritt der Evolution von der »belebten« in die »unbelebte« Welt ist in gewisser Hinsicht vergleichbar mit der Eroberung des Landes durch die ersten Lebewesen vor ca. 440
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