Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
Millionen Jahren. Bis dahin hatten sich neue Lebensformen nur im Wasser entwickeln können. Jetzt jedoch konnte die Evolution neue Lebensräume erschließen und damit ganz neue Arten hervorbringen. Das hat dem Leben im Wasser zunächst einmal nicht geschadet. Es ist durchaus denkbar, dass sich Maschinen in der Zukunft primär in »Lebensräumen« ausbreiten, die für uns Menschen unwirtlich sind - beispielsweise tief im Erdboden oder im Weltraum, wo Energie in praktisch unbegrenzter Menge verfügbar ist.
Die schlechte Nachricht ist: Ganz ohne Nebenwirkungen wird eine unkontrollierte Ausbreitung anorganischer »Lebensformen« nicht bleiben. Wale und Delphine können ein Lied davon singen, dass das Leben in den Ozeanen nicht mehr dasselbe ist, seit eine gewisse Spezies von Landbewohnern ihre Abwässer ungeklärt in die Flüsse leitet, die Meere leerfischt und das Klima so lange aufheizt, bis die Polkappen abtauen und der Golfstrom zum Erliegen kommt.
Die »Nebenwirkungen« des Evolutionssprungs in die anorganische Welt sind bereits jetzt zu spüren. Sie werden sich vermutlich noch deutlich verstärken, wenn sich Maschinen irgendwann vollkommen selbständig und unabhängig vom Menschen reproduzieren können. Paradoxerweise liegt aber gerade in der technischen Entwicklung auch die Chance, dass wir unsere Umweltprobleme lösen können, und zwar mit Hilfe derselben memetischen Evolution, die sie ursprünglich verursacht hat.
Die biologische Evolution passt sich an veränderte Umweltbedingungen, zum Beispiel in Form knapper werdender Nahrungsressourcen, an. Es entwickeln sich Spezies, die mit weniger Futter auskommen oder anderes, besser verfügbares bevorzugen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Memen. Wenn beispielsweise das Öl knapp wird, breiten sich Meme für sparsamere Automodelle und Hybridmotoren, die zum Teil auf andere Energiequellen zurückgreifen können, aus. Neue Energiegewinnungs-Meme, wie die Herstellung von Windkraftanlagen, aber auch Energieein-sparungs-Meme können sich durchsetzen. Auch frische Luft ohne übermäßigen CO 2 -Anteil ist ein knapper Faktor
- zumindest dann, wenn wir Menschen ihn knapp machen, zum Beispiel durch erhöhte Abgaben auf CO 2 -Ausstoß. Das führt automatisch dazu, dass Maschinen mit geringerem CO 2 -Ausstoß einen Selektionsvorteil bekommen, sich ihre Meme also durchsetzen können.
Leider bedeutet das noch nicht, dass damit alle Probleme gelöst sind. Denn wenn sich die Maschinen schneller ausbreiten, als ihr CO 2 -Ausstoß fällt, wird die Menge des insgesamt abgegebenen Treibhausgases weiter steigen. Diesen Effekt können wir momentan beobachten: Obwohl die Energieeffizienz in den westlichen Ländern deutlich verbessert wurde, steigt der CO 2 -Ausstoß durch das rasante Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern weiter an. Dennoch besteht eine gute Chance, dass es durch die eingeleiteten Veränderungsprozesse zu einer Trendumkehr kommen kann.
Als biologische Lebewesen haben wir unsere eigenen Stärken und Schwächen, so dass in einer Symbiose mit den
Maschinen höchstwahrscheinlich auch auf lange Sicht für beide Seiten Vorteile liegen werden. Das Problem ist allerdings, dass wir viele Entwicklungen einfach nicht mehr verstehen und daher möglicherweise falsch darauf reagieren werden und dass unvorhergesehene Nebeneffekte negative Konsequenzen für uns haben können.
Nehmen wir an, wir würden einen Ureinwohner aus dem Amazonasbecken unvorbereitet in einer heutigen Großstadt aussetzen - für ihn wäre das eine gefährliche Situation. Er wüsste sich nicht im Straßenverkehr zu verhalten oder verstünde nicht, dass es keine gute Idee ist, auf einen Strommast zu klettern.
Ähnlich könnte es uns allen ergehen, wenn wir eines Tages in einer Welt leben, die wir nicht mehr verstehen. Es wird Unfälle geben, weil wir uns in dieser komplexen Welt nicht mehr zurechtfinden und falsch verhalten. Aber auch die Maschinen selbst werden Fehler machen, weil sie ähnlich wie Menschen die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidungen nicht vollständig einschätzen können. Das Ergebnis könnten Fehlfunktionen mit möglicherweise katastrophalen Folgen sein, wie beispielsweise ein Zusammenbruch der Energie-, Wasser- oder Nahrungsmittelversorgung oder des Finanzsystems.
Die Auswirkungen dieser Fehler werden umso schlimmer sein, je tiefer wir uns in die Abhängigkeit von der Technik begeben, je mehr wir ihr blind vertrauen. Um es auf die Spitze zu treiben: Wenn es tatsächlich
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