Schon wieder Greta!
Schluss hatte ihr die Verkäuferin noch ein Parfüm geschenkt, das von demselben Designer entwickelt worden war, der auch das Kleid entworfen hatte. Jetzt konnte doch für den Abend nichts mehr schiefgehen. Oder?
Als sie schließlich wieder im Aufzug zum Appartement hochfuhr, war sie ziemlich erschöpft. Aber es war nicht die Shoppingtour, die sie so geschafft hatte, sondern das Treffen mit Antonia, das war Greta klar. Mike wollte sie vorerst nichts davon erzählen. Viel zu abstrus kam ihr die ganze Geschichte noch vor. Eigentlich wollte sie die merkwürdige Episode am liebsten ganz vergessen - oder wenigstens für den Moment verdrängen.
Zum Glück war Mike mit den Telefonaten und den anderen Geschäftskontakten durch.
»Du bist wieder da. Wie schön. Warst du erfolgreich?«
Er nahm sie in den Arm und Greta versuchte intuitiv nachzuspüren, ob sich irgendetwas von dem, was Antonia wahrgesagt hatte, in ihren Gefühlen regte.
Nichts ...
Na, wenn ich kein anderes Zeichen bekomme, dann wird doch alles gut werden. Vielleicht war es tatsächlich nur ein übler Scherz ...
»Ist was?«, fragte Mike und runzelte leicht die Stirn. »Du bist irgendwie komisch. Ist was passiert?«
»Nein, nein«, stotterte Greta. »... Äh, ... ich – ich hab nur ein Kleid gekauft, dass wirklich sehr extravagant ist. Bin mir nicht sicher, ob es auch wirklich zum Rahmen heute Abend passt.«
»Ganz egal, was du trägst – du wirst hinreißend aussehen, da bin ich sicher. Bestimmt wie zum Anbeißen ...«
Greta grinste.
»Und wenn das Kleid tatsächlich nicht so ganz der Brüller ist«, fuhr Mike fort, »dann hab ich immerhin einen guten Grund, es dir sofort wieder auszuziehen. Nackt bist du mir ohnehin am liebsten.«
Er zog Greta nah zu sich heran und küsste sie in den Nacken. Sie schmolz dahin. Seine Küsse in den Nacken waren der absolute Hit. Sie fühlte förmlich, wie sie in seinen Händen wieder weich wie Wachs wurde. Dieses Gefühl konnte doch nicht trügen oder falsch sein?! Dennoch entzog sie sich ihm. Sie merkte, dass sie sich jetzt nicht auf ihn einlassen konnte. Sex wäre jetzt wirklich nicht okay gewesen! Mike spürte ihr Zögern und reagierte sofort.
»Hast du was gegessen? Hast du Hunger? Oder wollen wir noch mal zusammen durch die Straßen ziehen? Wozu hast du Lust?«
»Oh, was Kleines zum Essen wäre gut und dann gern noch mal raus. Wir haben ja noch Zeit bis heute Abend, oder?«
Sie entschieden sich für ein paar Tramezzinis in einem Bistro und einen Aperol Spritz als Aperitif. Die Tagestouristen, die mit den Ausflugsbooten, Bus, Bahn oder Auto gekommen waren, hatten die Stadt weitestgehend verlassen. Es kehrte eine Art italienische Vorabendstimmung ein. Die Herbstsonne stand schon schief, war aber dennoch lau und warm. Die Venezianer hatten sich wieder mal schick gemacht, strömten aus den Büros und genossen in den Bars und Bistros einen Plausch mit dem Nachbarn, den Kollegen oder der Geliebten. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich.
Die Begegnung mit Antonia schien Greta jetzt wie in weite Ferne gerückt. Es gelang ihr tatsächlich, all die düsteren und rätselhaften Prophezeiungen zu verdrängen. So wie jetzt sollte es sein. Sie mit Mike in Venedig. Allein. Nur sie beide.
Sie schlenderten durch die Straßen und gelangten zum Markusplatz, der sich inzwischen geleert hatte. Die Pianomusik der bekannten Teemusik-Kapellen säuselte aus den umliegenden Bars. Es war alles einer Entschleunigung unterlegen. Selbst die emsigen und immer geschwätzigen Italiener schienen sich plötzlich mehr Zeit zu lassen. Jetzt nahm Greta auch die unmittelbare Umgebung viel intensiver wahr. Auf der einen Seite die imposante und überaus dominante Basilica di San Marco, daneben der Dogenpalast und dann der geteilte Platz, auf der geschlossenen Seite umrahmt von den alten Bauten der Prokuratoren. An der offenen Seite entlang des Dogenpalastes, vorbei an der Libreria Marciana und der Markusbibliothek lag das Meer.
Die kühle Brise, die von dort kam und über den Platz streifte, ließ Greta ein bisschen frösteln. Sie schmiegte sich eng an Mike. Er nahm sie in den Arm und erläuterte ein wenig die Geschichte des Markusplatzes. Die Warteschlage vor dem Dom war kurz, und sie entschieden sich, hineinzugehen. Im Grunde hörte Greta Mike nur mit halbem Ohr zu. Vieles von den geschichtlichen Zusammenhängen verstand sie nicht und schnell hatte sie den Faden verloren. Aber es waren Mikes Stimme und die Stimmung allgemein, die sie
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