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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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Straße verlor, zu einem Sandweg wurde und schließlich zwischen Bäumen auf einer Lichtung endete. Ein grauer Betonklotz, kaum größer als eine kleine Hütte, erhob sich zwischen den Bäumen.
    Andrea sah Karen an. »Was ist das?«
    »Ein Bunker aus dem letzten Krieg. Von hier aus hatte man damals, als die Bäume noch klein waren, einen großartigen Blick auf den Moray Firth. Eine gut platzierte Kanone konnte von hier aus meilenweit schießen und hatte den Schiffsverkehr unter Kontrolle.«
    »Und was wollen Sie jetzt hier?«
    »Ihnen Ihr neues Zuhause zeigen. Man kann ganz gut da drinnen leben.«
    »Sind Sie wahnsinnig?«
    »Nein, steigen Sie aus.«
    Plötzlich hatte Karen eine Pistole in der Hand und zwang Andrea, auszusteigen. »Versuchen Sie nicht wegzulaufen. Ich bin eine erstklassige Schützin, und ich werde nicht zögern, Sie umzulegen. Wie ich schon sagte, man hat mich zu Tode erniedrigt, mir kann niemand mehr Schaden zufügen. Gehen Sie endlich, los, worauf warten Sie noch?«
    »Auf Ihre Vernunft. Wie können Sie sich rächen, indem Sie mich hier einsperren?«
    »Das verstehen Sie nicht. Los jetzt.« Sie winkte mit der Waffe und richtete sie auf Andrea. Ihr blieb nichts anderes übrig, als auf diesen Bunker zuzugehen. Sie konnte sich nicht wehren, sie konnte auch keine schnellen Bewegungen machen, um diese Verrückte zu überwältigen. Ihr Rücken machte da einfach nicht mit. Eine schwere Eisentür mit kolbenartigen Riegeln oben und unten und einem Schloss in der Mitte versperrte den Eingang.
    »Los, öffnen Sie die Tür.«
    Andrea mühte sich mit den verrosteten Riegeln ab, öffnete erst den einen, dann den zweiten und zum Schluss das Schloss.
    Quietschend ließ sich die Tür nach außen ziehen.
    »Treten Sie ein. Sie finden alles, was Sie brauchen, im zweiten Raum. Licht und Luft bekommen Sie durch die Schießscharten. Rufen brauchen Sie nicht, hier gibt es meilenweit keine Menschenseele.«
    Sie stieß Andrea mit einem Schlag auf den Rücken hinein, und während ihr von dem plötzlichen Schmerz am Rücken die Tränen in die Augen schossen, hatte Karen Brendan die Tür geschlossen und verriegelt.
    Andrea stand erstarrt in dem dämmerigen Raum. Etwas Licht gab es tatsächlich. Über ihr in den Mauern waren einige handbreite Schlitze, die früher wohl als Schießscharten gedient hatten. Der Boden war grau und schmutzig. Walderde, vermodertes Laub und Tannennadeln, Papierschnitzel, Scherben, ein paar verrostete Dosen – sie ging langsam weiter. Eine zweite Tür führte in einen anderen Raum. Ein Feldbett mit einem Schlafsack, mehrere Kisten mit dauerhaften Lebensmitteln, eine große Butangasflasche mit einem Kocher, mehrere Kanister mit destilliertem Wasser, Blechgeschirr, ein primitives Besteck, ein Klappstuhl, ein Tisch und einige Kartons mit Kerzen und Streichhölzern. Zum Überleben reicht es erst einmal, dachte Andrea, wenn sie mich umbringen wollte, bräuchte sie mich nicht vorher zu füttern. Sie ging weiter. Nebenan war ein kleiner Raum mit einem in die Erde führenden Loch, wahrscheinlich mehrere Meter tief, denn Andrea konnte kein Ende erkennen. Sie hielt dieses Loch für die Toilette.
    Der Rücken tat ihr weh, als sie zurückging. Irgendwie klebte das Hemd an der Haut fest. Wahrscheinlich blutete eine der Narben nach dem Schlag, den ihr die Frau versetzt hatte. Sie zog sich vorsichtig aus, damit der Stoff nicht an der Wunde festklebte und später nicht abzulösen war. Tatsächlich, das Hemd war blutverschmiert. Sie nahm ein Papiertaschentuch aus der Handtasche, zum Glück hatte man ihr die gelassen, stäubte etwas Puder auf den Stoff und versuchte, damit die Wunde zu erreichen. Vorsichtig tupfte sie das Blut ab und beschloss, nichts anzuziehen, damit die Platzwunde schnell trocknete. Dann legte sie sich auf das Feldbett, den Rücken nach oben, verbarg den Kopf in den Armen und schloss die Augen. In was für eine verteufelte Situation war sie da schon wieder hineingerutscht. Schottland bekam ihr sehr schlecht.

XXIV
    Ryan, müde und erschöpft nach stundenlangen Verhandlungen mit den Juristen, hatte nur einen Wunsch: so schnell wie möglich Andrea wieder zu sehen und bei ihr auszuruhen. Seine Anwälte hatten schnell reagiert und gute Arbeit geleistet. Er wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte. Sie gehörten zu den besten im industriellen Management von Aberdeen, und sie hatten Formen gefunden, die seine Stellung und seinen Besitz sicherten, ihn aber von dieser einengenden Gesamtverantwortung

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