Schottische Disteln
vertrieb nun ein frischer Wind die Wolken. Der Boden allerdings war nass und schwer und für die Pferde eine zusätzliche Strapaze. Darauf mussten sich die Reiter bei ihren Zeiteinteilungen einstellen.
Endlich fand sie Mark. Er kam aus der Meldestelle und versuchte, seine Startnummer so am T-Shirt zu befestigen, dass sie ihm unterwegs nicht davonflog oder in einem Gestrüpp hängen blieb. Andrea half ihm mit einigen Sicherheitsnadeln, dann fragte sie nach seinen Fotowünschen. Insgeheim war sie stolz auf ihr gutes Englisch. Mark war ein kleiner Mann und hatte die Statur eines Jockeys, und sie musste sich bücken, um ihm zu helfen. Er lachte kurz auf, als sie sich an Brust und Rücken um die Stoffstücke bemühte, dann wurde er schnell wieder ernst: »Am besten fangen Sie mit den ersten Startern hier hinter den Stallungen an. Ein oder zwei Reiterfotos am Anfang der Wegstrecke. Dann fahren Sie zum Ziel am Turnierplatz und fotografieren den zweiten Start auf der Rennbahn und ein paar Hindernisse dort.«
»Schaffe ich die Entfernung zu Fuß?«
»Zum Turnierplatz müssen Sie fahren, aber dann liegen Start und Ziel bei allen Prüfungen dicht beieinander.«
Er sah hinunter auf ihre Füße und lächelte, als er ihre Schnürstiefel sah. »Das richtige Schuhwerk haben Sie ja an.«
Andrea nickte. »Na ja, es ist nicht der erste Geländemarsch meines Lebens.«
»Fein. Nach der Rennstrecke und der zweiten Wegstrecke werden die Pferde vom Tierarzt untersucht, das sollten Sie fotografieren und auch die Pflege der Tiere in dieser Pause vor dem Start in die eigentliche Hindernisstrecke. Die Pferde werden gewaschen, frottiert, eingecremt ...«
»Eingecremt?«
»Ja, Beine, Brust und Bauch werden mit dicker weißer Salbe oder mit Vaseline bestrichen, damit die Pferde gleiten und sich nicht gleich verletzen, wenn sie ein Hindernis streifen.«
»Das wusste ich noch nicht.«
»Sie werden das nachher beobachten, alle Pferdepfleger machen das.«
»Und wie geht es nach der Pause weiter?«
»Lassen Sie sich einen Wegeplan mit den eingezeichneten Hindernissen geben. Wir sind sechs Reiter, von jedem sollten ein paar interessante Aufnahmen gemacht werden.«
»Ist das zeitlich zu schaffen?«
»Wir starten in großen Abständen, und viele Hindernisse stehen dicht zusammen, für die Zuschauer nur wenige Meter voneinander entfernt, von den Reitern allerdings nur auf Umwegen zu erreichen.«
»Mir schwirrt der Kopf.«
»Sie schaffen das schon«, beruhigte er sie.
»Hoffen wir es.«
Mark suchte in seiner Hosentasche nach einem Zettel. »Hier ist die Liste mit unseren Startnummern, damit Sie uns nicht mit fremden Reitern verwechseln.«
»Danke, wann geht es los?«
»Um sieben Uhr, gleich da hinten.« Er zeigte auf den großen Komplex der Stallanlagen. »Zum Turnierplatz müssen Sie etwa vier Kilometer fahren, da findet alles andere statt.«
Andrea sah auf die Uhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit, gab Mark die Hand und wünschte ihm und seiner Mannschaft Hals und Beinbruch.
Er grinste sie an. »Es wird schon klappen, wir sind in Topform«, sagte er, dann ging er in den Stall und suchte nach seinen Teamkameraden.
Andrea lief zum Parkplatz und suchte Peter. Er stand bei einer Gruppe alter, diskutierender Männer und hörte sich die so genannten Expertenmeinungen an.
»Komm, Peter, wir genehmigen uns einen Kaffee, bevor es losgeht.« Andrea zog ihn zu einem Imbisswagen, in dem Getränke, Brötchen und heiße Würste angeboten wurden. Der Kaffee schmeckte sogar.
An Tagen wie solchen, wenn sie sehr früh aufstehen musste, verzichtete Andrea auf das Frühstück zu Hause. Sie schlief lieber bis zum letzten Augenblick und aß unterwegs, wenn es sich anbot. Jetzt tat das heiße Getränk in dem Plastikbecher richtig gut.
»Schön ist es hier, eine tolle Atmosphäre.« Sie hakte sich bei Peter ein und zog ihn etwas aus dem Gedränge.
Er sah sie lächelnd an. Das war so typisch für Andrea, sie hatte überall ihren Spaß. Während es für ihn ziemlich widerlich nach Pferdemist, verschwitzten Menschen und altem Fett in Grillpfannen roch und er sich dem Gestank gern entzogen hätte, genoss Andrea das Gewühl, die Aufregung, die Pferdebeine, die einem fast auf die Füße traten, und die Fliegen, die an allem klebten. Aber er verehrte Andrea, und wenn sie das hier mochte, würde ihm das recht sein.
»Soll ich schon mal deine Fotoapparate holen?«
»Das wäre nett. Ich glaube, ich esse inzwischen ein Würstchen.«
»Denk daran, Anne hat
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