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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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schnell ihr Futter, dann haben wir Ruhe.«
    Kurze Zeit später kam Ryan wieder vor die Tür, zwei Guinessflaschen in der Hand. »Komm, setzen wir uns auf die Bank. Was treibt dich her?«
    »Keine schöne Sache, Ryan, es gibt ein großes Problem.«
    Er war ein kleiner, ärmlich, aber sorgfältig gekleideter Mann mit glattem grauem Haar, der in seinem Verhalten etwas von der traurig-diskreten Art eines Leichenbeschauers hatte.
    »Was ist los, was für ein Problem haben wir?«
    »Hier treibt sich ein Schafstöter herum. Wir haben‘s heute entdeckt.«
    »Was? Ein Schafstöter? Was meinst du damit?«
    »Na, ein Mann, der die Schafe abschlachtet. Aber er nimmt sie nicht mit. Er tötet sie, oder, noch schlimmer, er misshandelt und quält sie und lässt sie dann liegen.«
    »Um Gottes willen, wo ist das passiert?«
    »Auf verschiedenen abgelegenen Weiden. Deshalb haben wir es ja auch nicht gleich gemerkt. Manche Tiere lagen tagelang da, bis wir stutzig wurden, weil immer mehr Krähen über den Weiden kreisten.«
    »Was habt ihr dann getan?«
    »Die Männer sind zu ihren Weiden rausgefahren und haben die Tiere, oder was davon übrig war, gefunden. Zwanzig Schafe sind‘s inzwischen.«
    »Und jetzt? Da muss ganz schnell etwas geschehen. Die Weideflächen sind riesengroß, wie soll man die bewachen?«
    »Genau das ist unser Problem. Wir treffen uns gleich im Pub, um alles zu besprechen. Kannst du kommen?«
    »Natürlich. Fahr schon voraus. Ich bringe meine Hunde zurück zur Herde, damit sie bewacht wird, dann komme ich nach.«
    Ryan war außer sich. Wie konnte ein Mensch diese friedlichsten aller Tiere misshandeln und den Krähen bei lebendigem Leibe zum Fraß überlassen? Er holte die Hunde, steckte sich seinen Revolver in den Gürtel und ging zurück zur Herde. So einem Schwein würde er eine Kugel verpassen, die ihn zu einem lebenslangen Krüppel machte. Ryan war ein friedliebender Mensch, aber er war auch ein guter Schütze, das hatte er im Sportunterricht im Internat und später während seiner militärischen Ausbildung gelernt. Er würde diesem Kerl einen Schuss ins Knie setzen, der ihn für den Rest seines Lebens an seine Schweinereien erinnerte.
    Die Hunde spürten den Zorn und liefen still neben ihm her. Ryan ließ sie durch das Gatter in den Pferch, sie sollten nicht über den Zaun springen und die Schafe aufscheuchen. »So, ihr beiden. Heute Nacht bleibt ihr hier und passt mir gut auf.« Er tätschelte beiden den Kopf, er wusste, dass er sich auf diese Hunde verlassen konnte. Sie waren gehorsam, und sie waren scharf.
    Dann ging er zurück, verschloss sein Haus – zum ersten Mal, seitdem er hier wohnte, nur wenn es unbewohnt war, wurde es versperrt – und fuhr nach Dyke. Die schmale Straße, meist nur einspurig mit einigen Buchten zum Ausweichen, wurde vom letzten Tageslicht erhellt. Wo immer eine Öffnung in den Hecken oder Steinwällen einen Blick auf das Land bot, fuhr er langsam und kontrollierte die Weideflächen, auf denen weit verstreut, wie weiße Tupfer im saftigen Grün, die Schafe standen.
    Als er vor dem Pub parkte, sah er an den vielen Autos, dass so ziemlich alle Kleinbauern dieser Gegend inzwischen versammelt waren. In der niedrigen Gaststube roch es muffig: Der Fischgeruch aus der Küche schien alles zu durchdringen, fraß sich durch Wände und Decke, krallte sich in die Vorhänge und die Kleidung der Männer, und selbst der Pfeifengeruch der Raucher konnte ihn nicht vertreiben. Man musste ihn ganz einfach ertragen, denn er zeugte von den besten Fish and Chips der ganzen Gegend, und viele Männer, die wegen der Versammlung zu Hause kein Abendessen bekommen hatten, bestellten sich hier ihre Portionen. Ryan machte sich keinesfalls zum Sprecher. Er war nur einer unter vielen Männern und wollte das auch bleiben. Bob, der einzige Großbauer in der Gegend, stand auf und bat um Ruhe. Er war ein schwergewichtiger Mann mit einem harten, intelligenten Gesicht und einem kalten Lächeln.
    »Leute, esst auf, trinkt aus und hört zu.« Augenblicklich wurde es still im Raum. »Wir stellen erst einmal fest, wer Schafe verloren hat und wie viele. David, du legst eine Liste an. Und dann muss ich von jedem wissen, wann es passiert sein könnte und wo genau.«
    Acht Männer meldeten sich. Während David alles aufschrieb, ging die Besprechung weiter. »Ihr wisst, der nächste Polizeiposten ist in Forres und nur mit wenigen Männern besetzt. Wir können also von dort keine Hilfe erwarten. Wir müssen uns selbst helfen,

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