Schottische Disteln
einverstanden?«
»Einverstanden.«
Andrea ging ins Bad, stellte sich unter die Dusche und überlegte die Kleiderfrage. Es war immer das Gleiche: Sie hatte einfach zu wenig Garderobe. Was zog man für den Besuch im bekanntesten Fischrestaurant an einem Samstagabend an? Immer das verflixte Geld, wann hörte das eigentlich mal auf? Schließlich holte sie ein sandfarbenes Leinenkleid aus dem Schrank, suchte den braunen Ledergürtel und die passenden Schuhe heraus. Dazu nahm sie die braune Holzperlenkette, die Gabi, ihre Freundin, ihr vor Jahren aus den Redwood-Wäldern Kaliforniens mitgebracht hatte, und besah sich im Spiegel. Doch, so konnte sie sich sehen lassen. Da sie keinen echten Schmuck besaß, wollte sie sich auch nicht mit Imitationen behängen, dann lieber gleich eine Kette, der jeder ansah, dass sie nur aus Holz war. Außerdem passte sie farblich genau zu Gürtel und Schuhen.
Peter, der das Kleid natürlich kannte, sie hatte es mindestens zehnmal angehabt, wenn sie zusammen ausgegangen waren, nickte lächelnd und sehr höflich und sagte: »Wie immer siehst du blendend aus. Alle werden mich beneiden.«
»Du bist ein unverbesserlicher Charmeur, aber du bist sehr nett.«
»Dann lass uns gehen, die Schöne und der Ladykiller, damit die Fische in der Pfanne vor Freude springen.«
Andrea lachte. »Du bist ja witzig, Peter, so kenne ich dich gar nicht.«
»Ich bin gut gelaunt, Andrea. Heute Abend habe ich mich zum ersten Mal durchgesetzt.«
»Also Peter, du stellst mich als Ungeheuer hin.«
»Als liebenswertes Ungeheuer, das ist ein riesengroßer Unterschied.«
»Na, schön, ich verzeihe dir. Lass uns gehen, ich habe jetzt auch Hunger.«
»Endlich.«
Während Peter den Wagen aus der Garage holte, verschloss Andrea die Wohnung und fuhr im Lift hinterher.
Ein hübsch gedeckter Tisch erwartete sie. Blumen, Kerzen, edles Geschirr und weißes Leinen. Man kannte Peter Erasmus in den guten Hamburger Restaurants, und seine Trinkgelder sorgten stets für hervorragenden Service. Obwohl alle Tische besetzt waren, verfügte der Raum über eine gewisse intime Atmosphäre und wirkte nie überfüllt. Peter schätzte das. Man konnte leise miteinander sprechen, man konnte auch mal liebevoll eine Hand ausstrecken und auf eine andere Hand legen, die niedrigen Kerzen auf dem Tisch störten nicht den Blick in die Augen des Gegenübers, und auch mit den Beinen konnte man sich berühren, wenn man es wollte. Peter wollte das alles, aber er wagte es nicht. Wie immer scheute er im letzten Augenblick vor einer gewissen Zärtlichkeit zurück. Zu groß war seine Angst, abgelehnt zu werden. So fand das Essen in einer zwar freundschaftlichen, aber gehemmten Atmosphäre statt, und Peter wusste genau, dass er wieder einmal die Gelegenheit verpasste, Andrea zu sagen, wie sehr er sie liebte.
Andrea, die das alles spürte, hätte ihm gern geholfen, aber sie wollte keine Liebeserklärung. Jetzt jedenfalls noch nicht, und so hielt sie sich zurück, plauderte unbefangen über unverfängliche Ereignisse, erzählte kleine Geschichten aus dem Studio und war schließlich froh, als der Abend vorbei war und Peter sie nach Hause brachte.
»Was machst du morgen?«
»Ich habe einen Tauftermin, und dann werde ich meinen Haushalt in Ordnung bringen, Wäsche waschen, den Gefrierschrank auftauen und Berge von Klamotten bügeln. Mir bleibt immer nur das Wochenende für diese Arbeiten, und diesmal fiel sogar der Samstag aus.«
Von einem Spaziergang durch die Wallanlagen und von den Blumenfotos erzählte sie nichts. Sie musste auch mal allein sein. Sie wollte einfach nur auf einer Bank in der Sonne sitzen, die Seele baumeln lassen und ein bisschen träumen.
Viel Zeit zum Träumen hatte Andrea in der folgenden Woche nicht. Ein Fototermin jagte den anderen, und wenn sie nicht unterwegs war, musste sie im Studio aushelfen. Aber es machte Spaß, vor allem nach dem vergangenen Wochenende. Es war schon wieder Freitag, als sie voller Ungeduld vor Holgers Labortür stand und auf ihre Fotos wartete. Obwohl sie einige Digitalfotos schon zu Hause auf ihrem PC gesehen und für gut befunden hatte, war sie dennoch gespannt. Es war streng verboten, Holger bei der Arbeit zu stören, er duldete keine Blicke über die Schulter, keine Frage, solange er nicht fertig war. Und dann war er herausgekommen, die Hände auf dem Rücken und in den Augen ein Glitzern, das gute Nachrichten verhieß.
»Gratuliere, meine Liebe, Sie haben Wunder vollbracht. Ich habe gleich
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