Schottische Disteln
Viele waren schon fort, und die Reihen lichteten sich. Immer wieder erhellten Blitze den Himmel, und jedes Mal zuckte Andrea zusammen, wenn der Donner krachend folgte. So ganz wohl gefühlt hatte sie sich noch nie bei Gewitter. Sie wusste zwar, dass man in einem Auto relativ sicher war, aber war man das auch in einem Pferdeanhänger? Immerhin hatte der eine Stahlkupplung, die mit ihrem Rad in der Erde steckte.
Dann, endlich, näher kommende Scheinwerfer. Der Geländewagen hielt, und Ryan stieg aus.
»Es tut mir schrecklich Leid, aber ich bin einfach nicht auf dieses Feld gekommen. Viele wollten mit ihren Fahrzeugen herunter, und andere wollten herein, das gab einen Stau, der fast bis an die Stadtgrenze reichte.«
Andrea stand auf und streckte sich. »Macht nichts, jetzt sind Sie ja hier.«
Ryan holte leere Kartons und Decken aus seinem Wagen, und Andrea löste die Regenplane an einer Seite des Tisches.
»Ich werde die Plane festhalten, und Sie packen die Sachen ein. Immer nur so viel, wie in einen Karton passt, und dann schnell damit in den Hänger. Ich glaube, so bleiben Ihre Schätze trocken.«
Ryan nickte. »Wie gut, dass Sie da sind, danke.«
»Dann also ran an die Arbeit.«
Ryan stellte seinen Wagen so hin, dass die Scheinwerfer den langen Tisch beleuchteten, und begann, die Sachen einzupacken, während Andrea die Plane so gut es ging darüber hielt.
»Vorsicht mit der Wäsche und der Wolle, die Sachen sollten nicht nass werden, sonst sind sie verdorben.«
»Ich werde mir Mühe geben.«
Ryan, den Hut tief ins Gesicht gezogen, arbeitete schnell und gründlich.
»Es sieht aus, als hätten Sie schon immer gepackt. Sind Sie etwa in Wirklichkeit Packer von Beruf?«, fragte sie lachend.
»Nein, eigentlich nicht, aber mein Instinkt rät mir, jede Ecke im Karton auszunutzen, sonst kriegen wir nämlich nicht alles mit.«
Als er sah, wie der Regen an Andrea herunterlief, nahm er seinen Hut und stülpte ihn auf ihren Kopf.
»Etwas hält er von dem Wasser zurück, wenn ich auch befürchte, es läuft unten aus Ihrer Hose so heraus, wie es oben in den Kragen hineingelaufen ist.«
»Stimmt. Aber man gewöhnt sich an den Zustand.«
»Haben Sie immer noch nichts bei dem Zeug gefunden, was Ihnen gefallen könnte? Ich würde mich gern mit einem Geschenk revanchieren.«
»Um ehrlich zu sein, diese alte Puppe hier hat es mir angetan. Woher haben Sie die?«
»Sie gehörte ... einer alten Bäuerin, die manchmal für mich kocht.« Ryan biss sich auf die Zunge, fast hätte er sich verraten Es war die Puppe seiner Großmutter, aber wozu sollte er das gute Stück behalten, eigene Kinder hatte er ja nicht. Und wenn sie dieser Frau gefiel, sollte sie sie haben.
Ryan nahm die Puppe wieder aus dem Karton, hüllte sie in Zeitungspapier und gab sie Andrea. »Bitte sehr, es ist mir ein Vergnügen.«
Vorsichtig nahm sie das kleine Paket und legte es behutsam beiseite. Die Puppe war 50 cm groß, aus Porzellan und sehr empfindlich. Ein bezauberndes Stück, dachte Andrea, und sicherlich auch wertvoll. Nett, dass er sie ihr geschenkt hatte.
»Danke, Ryan, eine wunderschöne Erinnerung an einen verregneten Tag auf einem schottischen Markt.«
»Wo wohnen Sie hier eigentlich?« Ryan verschloss den letzten Karton und wuchtete ihn in den Anhänger. »Verdammt schwer, dieser ganze Krempel.«
Andrea überlegte einen Augenblick. »Ich glaube, ich weiß es nicht. Es ist ein kleines Dorf auf dem Weg von Elgin nach Inverness, und ich habe einfach vor einem Gasthaus gehalten, weil es so gemütlich aussah. Aber wenn ich wieder auf der richtigen Straße bin, finde ich es auch.«
»Dann kann es sich nur um den Rasthof in Tradespark handeln. Grauer Granit und Kastanien vor der Tür?«
»So ist es. Das Zimmer ist sauber, und die Wirtin ist eine gute Köchin.«
»Und ich soll Sie nicht gleich dorthin bringen?« Ryan klappte die Verladerampe hoch und verschloss den Anhänger, während sich Andrea vorn in seinen Wagen setzte.
»Ich habe mein Auto hier geparkt. Wie soll ich das morgen holen? Zu Fuß ist es ein bisschen weit.«
Ryan reichte ihr eine Decke. »Bitte hängen Sie sich die noch über, ich habe ein sehr schlechtes Gewissen, wenn ich an Ihre nassen Sachen denke.«
»Ist nicht nötig, so empfindlich bin ich nicht. Sie sehen auch ziemlich aufgeweicht aus.« Sie gab ihm den Hut zurück. »Danke für das gute Stück, aber Ihnen steht er besser.«
Ryan lächelte, und Andrea dachte: So ein Lächeln verzaubert den ganzen Mann.
Er sah sie
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