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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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besuchen wollte.«
    »Wenn es um mein Haus geht, bin ich sehr konsequent, schließlich muss ich ja darin wohnen. Wieso haben Sie das im Pub erfahren?«
    »Ich habe mich nach dem Weg erkundigt, Ihr Haus liegt schließlich sehr versteckt. Warum eigentlich?«
    »Damit ich meine Ruhe habe.«
    Ryan wurde langsam ärgerlich. Was wollte die Frau hier, warum belästigte sie ihn? Hatte sie nichts Besseres zu tun? Er konnte sich nicht daran erinnern, sie eingeladen zu haben. Freilich, sie gefiel ihm neulich ganz gut, als sie da auf der Suche nach ihrem Vogel auf den Klippen herumkletterte und dem dicken Bob das Leben rettete, aber inzwischen hatte er diese Andrea kennen gelernt, und mit der hielt keine andere Frau einen Vergleich aus. Er ging zum Kamin und zündete Papier und Holzspäne an, und als das erste Feuer kräftig aufloderte, legte er Holzkloben nach.
    »Jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich muss nach meinen Schafen sehen. In einer Stunde bin ich zurück.«
    »So lange dauert das?«
    »Sie sind ziemlich entfernt auf einer Weide und müssen in ihren Pferch getrieben werden. Machen Sie es sich inzwischen bequem, die Bar ist da drüben im Schrank.«
    Er wies auf einen alten geschnitzten Bauernschrank, der neben Geschirr, Gläsern, Büchern und Papieren eine gut sortierte Bar enthielt. Einen Augenblick überlegte Ryan, ob er wichtige Unterlagen im Haus hatte, die seine Identität verraten würden – er war nicht sicher, ob die Dame danach suchte, wenn sie allein war –, ihm fiel aber nichts ein. Er war in dieser Beziehung sehr vorsichtig und nahm nie persönliche Papiere, Scheckkarten oder Geld mit hierher. Dann ging er nach oben, wechselte das Hemd, zog einen dicken Pullover über und ging wieder nach unten.
    »Also bis gleich. Und wenn Sie wollen, könnten Sie ein Abendessen für uns richten, Lebensmittel sind in der Küche.«
    Er zog seine Gummistiefel an, nahm das Regencape vom Haken und ging nach draußen. Es war dunkel inzwischen. Er holte seine Taschenlampe aus dem Auto und machte sich auf den Weg zur Weide. Er hatte übertrieben, als er sagte, er würde eine Stunde fort sein, aber er war ärgerlich, und sie sollte das ruhig spüren. Was wollte sie überhaupt?
    Als er die Kuppe des zweiten Hügelkammes hinter sich hatte, hörte er schon die Schafe im Pferch. Die Hunde hatten sie, wie immer, ganz selbstständig hineingetrieben und sorgten nun dafür, dass kein Tier mehr hinauslief. Als sie Ryan hörten, rannten sie auf ihn zu und holten sich ihr verdientes Lob.
    »Brav, Ajax, brav, Bella, das habt ihr gut gemacht.« Er streichelte die Collies und verschloss das Tor. Dann ging er, begleitet von den Hunden, einmal um den Pferch herum und kontrollierte mithilfe der starken Lampe den Zaun und die Herde. Alles schien in Ordnung, die Hunde waren gelassen und ruhig, das bedeutete, dass sie keine Gefahr witterten.
    Die meisten Tiere lagen bereits und verdauten das Futter des Tages. Ihnen schadete das Wetter überhaupt nicht, im Gegenteil, Regen und Wind sorgten dafür, dass ihr Fell die Dichte und Qualität bekam, für die diese Wolle berühmt war. Sie blieben, auch später, wenn sie wieder bei der eigentlichen Herde in den Lowlands waren, das ganze Jahr über im Freien, und nur zum Lammen wurden die Muttertiere für einige Tage im Stall gehalten.
    Langsam ging Ryan zurück. Der Regen hatte nachgelassen, und über dem Meer zeigten sich erste Spuren einer aufgerissenen Wolkendecke, aus der hin und wieder ein schmaler Mond herausschaute. Ryan setzte sich in das nasse Heidekraut und dachte zurück an den vergangenen Tag. Die Hunde, dicht an ihn geschmiegt, hechelten zufrieden und schoben ihre Nasen unter seine Hände, ein Zeichen absoluter Vertrautheit.
    Den ganzen nicht verkauften Trödel in seinem Anhänger würde er in einer zweiten Nacht-und-Nebel-Aktion wieder zurück ins Schloss bringen, wo er in verschiedenen Bodenräumen die alten Möbel und Utensilien der ehemaligen Einrichtung gestapelt hatte. Die Bauern, die über die von ihnen gesammelten Sachen eine Liste mit ungefähren Preisangaben gemacht hatten, würden dieses Geld von ihm bekommen. Natürlich hatte er auf dem Markt auch die Gaben der Bauern ausgestellt. Es war ja möglich gewesen, dass der eine oder andere seiner Freunde bei ihm vorbeigeschaut hätte. Doch verkauft hatte er davon gar nichts. Egal. Er würde sogar überall noch etwas Geld dazulegen, sodass sie zufrieden waren und ihr Ehrgeiz, den besten Handel von allen gemacht zu haben, gestillt wurde.

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