Schottische Disteln
Klient Harmonie besteht.«
Peter wanderte auf und ab, die Hände in den Taschen und die Stirn in Falten gezogen. »Ich fürchte, da steckt mehr dahinter, als es den Anschein hat.«
»Wie meinen Sie das? Hat sie Ihnen gegenüber gesagt, dass sie aufhören will, dass sie andere Pläne hat?«
»Nein, ich habe da nur so ein Gefühl. Sehen Sie, sie hat mir nicht ein einziges Mal geschrieben, sie hat mich nicht angerufen, sie ließ sich nicht mit mir verbinden, wenn ich am Apparat war. Ich glaube, ich kann Ihnen am allerwenigsten helfen.«
»Das verstehen wir nicht. Sie beide sind doch so eng befreundet, wir haben eher damit gerechnet, dass aus dieser Freundschaft bald mehr werden würde.«
Peter nickte. »Ich will nicht sagen, dass ich damit gerechnet habe, aber gehofft habe ich es bestimmt.«
»Und nun? Aber diese Kündigung muss ja für Sie nichts bedeuten. Andrea kommt nach Hamburg zurück und wird sich wahrscheinlich eine andere Arbeit suchen, das muss ja nichts an Ihrer Freundschaft ändern.«
»Sie hat in Schottland einen Mann kennen gelernt.«
»Herr Erasmus, meinen Sie etwa den Schäfer? Sie werden Andrea doch nicht für so geschmacklos halten. Sie hat mir davon erzählt, eine Laune von ihr, und wir haben darüber gelacht.«
»Ich habe diesen so genannten Schäfer kennen gelernt, es handelt sich bei ihm um den reichsten Mann Schottlands.«
»Was ...?«
»Genauso ist es, und dieser Mann ist vernarrt in Andrea. Da muss ich leider passen.«
»Aber nein«, Jens winkte energisch ab, »Andrea ließ sich noch nie von Geld beeindrucken, das wissen Sie doch auch. Oder durften Sie ihr jemals helfen, wenn sie knapp bei Kasse war? Wir durften es jedenfalls nicht.«
»Aber dieser Mann hat anscheinend noch andere Qualitäten.«
Inken packte ihn an den Armen und schüttelte ihn. »Aber davon werden Sie sich doch nicht einschüchtern lassen. Ein Mann wie Sie. Um eine Frau wie Andrea muss man kämpfen, die überlässt man nicht einfach einem anderen.«
»Ach, Frau Reinicke.« Peter streifte behutsam ihre Hände ab. »Ich liebe Andrea, und ich denke, ich liebe sie genug, um ihr auch das Glück an der Seite eines anderen Mannes zu gönnen.«
»So ein Unsinn.« Inken war entsetzt. »So etwas Dummes kommt doch nur in Romanen vor. Kein Mann gibt auf, wenn es um sein Glück geht. Auch Sie nicht. Los, fahren Sie hin, holen Sie Andrea zurück, ganz gleich, ob sie bei uns weitermacht oder nicht. Hauptsache ist doch, sie kommt zurück und bleibt bei Ihnen. Und dann werden Sie ihr zeigen, was gut für sie ist. Versprochen?«
»Nein, Frau Reinicke. Ich werde hinfliegen, und ich werde mit ihr sprechen, ich will mich vor allem überzeugen, dass es ihr gut geht und dass sie keinen Fehler macht, aber mitbringen werde ich sie wohl nicht.«
»Versuchen Sie es wenigstens.«
»Man wird sehen.« Peter sah verstohlen auf seine Uhr, er wollte jetzt allein sein. Er musste mit dieser neuen Entwicklung fertig werden und vor allem mit der Tatsache, dass Andrea nicht ihn, sondern die Reinickes über ihre Pläne informiert hatte. Sie war so weit genesen, dass sie E-Mails schreiben konnte, sie war gesund genug, um Pläne zu schmieden, aber sie war nicht in der Lage, ihn zu benachrichtigen. Einem klärenden Gespräch konnte sie sich nicht verschließen, und deshalb würde er sie aufsuchen. Vielleicht glückte es ihm, sie mit nach Hamburg zu nehmen, vielleicht aber auch nicht. Dann aber wollte er einen fairen Abschluss einer Freundschaft, die für ihn beinahe lebenswichtig war. Denn wie es ohne Andrea weitergehen sollte, wusste er nicht.
XX
Den Ehrgeiz, die Zielstrebigkeit und die Klugheit, die Ryan zu dem gemacht hatten, was er beruflich und gesellschaftlich war, setzte er nun ein, um sein privates Leben in den Griff zu bekommen. Freilich, eine Frau war kein Wirtschaftsimperium, keine Direktorenkonferenz oder gar eine Handelsdelegation. Eine Frau war etwas Besonderes, etwas, mit dem Ryan erst umzugehen lernen musste. So viel war ihm vom ersten Augenblick an klar: Eine Frau wie Andrea durfte nicht bevormundet, nicht überrascht und nicht überredet werden. Es kostete Ryan Überwindung, das zu begreifen. Es war so viel einfacher, Macht spielen zu lassen und Überlegenheit einsetzen zu können. Aber Ryan war auch ein kluger Mann, und diese angeborene Klugheit verhalf ihm zu richtigen Entschlüssen. Er war im Grunde seines Wesens ein einfacher Mensch, ein Mann, der für sich persönlich keinen Reichtum und keine Macht brauchte. Erfolg ja, dazu
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