Schottische Disteln
einer Beziehung, die er im Grunde nicht wollte.
Wider Willen lächelte sie. Nein, sie würde ihm nicht entgegenkommen, sie würde ihn nicht dazu veranlassen, persönliche Vorbehalte aufzugeben. Der Schäfer damals, das war ein Mann, mit dem sie fertig werden konnte, der Millionär war ein Typ, vor dem sie Respekt und auch Angst hatte.
Ryan legte die Hand auf ihren Arm. »Was ist denn los, Andrea?« Wie er befürchtet hatte, rückte sie innerlich von ihm ab.
»Du musst schon erlauben, dass mir ein paar Gedanken durch den Kopf gehen.«
»Wenn sie etwas mit mir zu tun haben, dann sprich sie aus.«
Sie räusperte sich, strich mit der Hand über das Tuch auf ihrem Kopf und sah ihn an. »Also gut, Ryan, abgesehen von dem Unfall und all diesen Folgen hier kenne ich dich genau zwei Tage. Du warst schmutzig, hast gestunken, hast mir Whisky aus der Flasche angeboten und ein nasses Jackett, und du warst sehr nett.« Andrea sah aus dem Fenster, und vor ihren Augen liefen noch einmal die Bilder dieser verregneten Stunden ab.
»Dann haben wir einen etwas aufregenden Tag mit ein paar bösen Überraschungen vor deinem Cottage verbracht, sind gewandert, haben gegessen und getrunken und in der Sonne gelegen, und ich war nahe daran, mich in diesen Schäfer zu verlieben. Einfach so! Selbst für mich war das eine Überraschung. Aber es war schön.«
Sie warf ihm einen Blick zu und merkte, dass er sie unverwandt ansah.
»Und dann war alles zu Ende. Ich weiß, es war meine Schuld. Ich habe meine Arbeit über meine Gefühle gestellt und bin abgefahren, und was dann passiert ist, hat alles geändert. Wer bist du heute wirklich? Ich kenne dich nicht, und ich werde mich hüten, noch einmal leichtgläubig und leichtsinnig auf Gefühle zu achten.«
Ryan nickte, nahm seine Hand von ihrem Arm und strich ihr über die Wange. »Es tut mir so Leid, Andrea, ich habe alles vermasselt, verzeih mir.«
Er stand auf, schob den Vorhang zur Seite und sah aus dem Fenster. »Wie soll es nun mit uns weitergehen?«
Sie erhob sich vorsichtig und stellte sich neben ihn. Zusammen sahen sie hinaus auf die Stadt, auf das entfernte Meer, auf dem Tankschiffe im grauen Dunst des späten Sommertages auf Reede lagen und Barkassen hin und her fuhren. In der Nähe der breiten Flussmündung erhoben sich die Kräne und Verladerampen der McGregor-Werften, türmten sich die wachsenden Bohrtürme im rostfarbenen Rohbau, flogen Helikopter wie wütende Wespen über das Gelände und hinaus aufs Meer, während die Blitze der Schneidbrenner bis hier zu sehen waren.
»Schau Ryan, das ist deine Welt, da gehörst du hin.«
»Es ist nicht die Welt, in der ich leben möchte.«
»Hast du eine Wahl?«
»Nur, wenn ich Leben und Arbeit trenne.«
»Und? Kannst du das?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann hast du ein großes Problem«, sagte sie mit einer gewissen Schärfe, als hätte er nicht das Recht, wählerisch zu sein.
»Ich weiß.«
Andrea runzelte die Stirn. »Dann sind wir also beide auf der Suche nach einem Weg. Das ist wenigstens etwas, das uns verbindet.«
»Ich finde das gar nicht lustig.«
»Es war auch nicht lustig gemeint, Ryan.«
»Könnten wir nicht zusammen auf die Suche gehen?«
»Nein, dazu sind die Richtungen zu verschieden.« Sie sah ihn an, diesen großen, schlanken Mann mit dem durchtrainierten Körper. Wieder einmal traf sie seine Nähe wie ein Schlag, und gerade deshalb gab sie sich kühl und zurückhaltend.
»Was hast du als Nächstes vor, Andrea?«
»Ich werde mit meiner Freundin telefonieren und sie bitten, sich in Hamburg umzusehen und den Trödelmarkt abzuklopfen. Sie muss feststellen, ob schottische Antiquitäten überhaupt gefragt sind. Viele Hanseaten bevorzugen englische Möbel, warum sollten schottische Raritäten keine Liebhaber finden? Und dann muss sie mir sagen, ob sie mitmacht. Aber ihre Antwort kenne ich im Voraus, und dann werde ich Mrs Jackson in Tradespark anrufen und fragen, ob ich in der nächsten Zeit bei ihr wohnen kann. Ich fühle mich bei ihr gut aufgehoben, kann zur Nachbehandlung nach Inverness fahren und von dort aus auch mit der Arbeit anfangen.«
»Du könntest in meinem Cottage wohnen, und Linda würde sich um dich kümmern.«
»Allein? In dem abgelegenen Haus? Nein, Ryan, das ist mir zu einsam, obwohl ich es wunderschön finde. Danke für das Angebot, aber das ist im Augenblick nicht das Richtige für mich.«
»Ich würde dir Bella und Ajax bringen, wenn du magst.«
»Danke, es ist gut gemeint. Aber das geht
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