Schottische Disteln
trieb ihn sein Ehrgeiz, aber öffentlich diesen Erfolg zu demonstrieren, das lag ihm nicht. Er war ein harter Mann, wenn es um das Wohl seiner Arbeiter und um den Bestand seiner Werke ging, aber er hatte nie seine natürliche Sensibilität verloren, die ihn zu einem liebenswerten Menschen machte. Ryan wusste, was er wollte, als er Andrea den Armreifen schenkte, und er wusste, dass sie den »Hinweis« verstand.
Er hatte ihr einen Tag Zeit gelassen, um sich damit auseinander zu setzen. Als er sie am nächsten Morgen besuchte, wusste er, dass er alles richtig gemacht hatte. Andrea war bereit, auf seinen Plan einzugehen.
Sie kam ihm entgegen, als er an die Tür klopfte und eintrat.
Sie bewegte sich vorsichtig, da sie ihrem Bein noch nicht ganz vertraute, aber sie konnte gehen, und sie freute sich, ihn zu sehen.
»Du machst Fortschritte, Andrea.«
»Ja, ich muss und will auf die Beine kommen. Danke für den Reifen.« Sie streckte ihm den Arm entgegen und lächelte.
»Du wusstest genau, was ich brauche.«
Ryan führte sie behutsam zu ihrem Sessel zurück. »Ich wollte, dass du uns nicht vergisst, wenn du Pläne machst.«
»Das ist kein Erinnerungsstück, Ryan, das ist ein Wegweiser für die Zukunft, gib es zu.«
Er holte sich einen Stuhl und setzte sich neben sie. »Willst du darüber sprechen?«
»Ja. Es wird Zeit. Ich möchte deine Idee mit dem Antikmarkt aufgreifen, und ich würde gern hier in den Highlands bleiben.«
Ryan versuchte, seine Freude hinter einem ernsten Gesicht zu verbergen. »Hast du dir das gründlich überlegt? Ich würde mich sehr freuen, wenn du hier bliebest, und ich würde dir sehr gern helfen, das weißt du.«
Andrea sah ihn offen an. »Ryan, eines muss ganz klar sein, ich möchte das allein schaffen. Ich habe eine Freundin, die mit Begeisterung den Hamburger Teil der Arbeit übernehmen würde, sodass ich mich ganz auf die Suche nach Kunst und Krempel konzentrieren kann, und ich habe ein paar Ersparnisse, die mir den Anfang hier gestatten werden.«
Ryan wollte sie unterbrechen, aber sie hob abwehrend die Hände. »Bitte, lass es mich allein versuchen. Ich muss neu anfangen, und ich muss das selbst schaffen. Ich würde gern Sachen übernehmen, die du irgendwo nutzlos herumstehen hast, aber sie dürfen nicht zur Grundlage meiner Existenz werden. Sie dürfen eine interessante Komponente sein, mehr aber nicht.«
»Einverstanden.« Ryan wusste genau, dass er auf Andreas Wünsche eingehen musste. Er würde sich zurückhalten, beobachten, ganz vorsichtig führen. Bei aller Ungeduld, die ihn beherrschte, wusste er, dass sie Recht hatte. »Hast du schon konkrete Pläne?«
»Ich habe eine E-Mail geschrieben und in Hamburg gekündigt. Es kann sein, dass ich von dort noch Proteste zu hören bekomme, aber ich habe ein freundschaftliches Verhältnis zu meinem Chef und denke, er wird keine Schwierigkeiten machen.«
Ryan stand auf und lief im Zimmer hin und her. Die nächste Frage beschäftigte ihn schon seit Wochen. »Und andere Bindungen? Ich weiß so wenig von dir.«
Andrea zögerte, weil sie darauf selbst noch keine Antwort hatte. »Du meinst Peter Erasmus? Du hast ihn ja bei der Suchaktion kennen gelernt, wie Mary mir sagte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er ist ein sehr lieber Freund, ich hoffe, er akzeptiert meinen Schritt, aber sicher bin ich nicht. Es ist gut möglich, dass er herkommt und mich zu überreden versucht, in Hamburg zu bleiben.«
»Würde er das schaffen?«
»Nein – ich glaube nicht.«
»Du glaubst es nicht, aber du weißt es nicht mit Bestimmtheit.«
»Ach Ryan, diese ganze Zukunft steht doch auf so wackeligen Beinen. Ich müsste mir wenigstens anhören, was er zu sagen hat.«
»Du würdest dir von ihm helfen lassen und von mir nicht?«
»Bitte, Ryan, du musst mich verstehen. Peter und ich, wir kennen uns schon lange. So eine Beziehung kann man nicht mit einem Brief oder einem Telefongespräch beenden. Das wäre nicht fair.«
»Darf ich dir wenigstens sagen, dass mir unendlich viel daran liegt, dass du hier bleibst?« Ryan setzte sich wieder zu ihr und sah sie eindringlich an.
Andrea wich seinem Blick aus. Sie mochte diesen Mann, sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart, und sie waren sich durch diesen ganzen Unfall auch näher gekommen. Dennoch war er ein Fremder für sie, ein Mann, den man nicht durchschauen konnte, der nichts von sich preisgab, der sich immer, wenn sie dachte, ihn zu verstehen, wieder zurückzog, so als hätte er Angst vor
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