Schottische Engel: Roman (German Edition)
Arzt. Er wechselte den Verband, sah seiner Patientin in die Augen, kontrollierte den Herzschlag und nahm ihren Kopf zwischen seine Hände, um die Beweglichkeit des Halses zu kontrollieren. »Gut, Sie haben sich gut erholt. Trotzdem bleibt die Ruhe oberstes Gebot.«
»Doktor, ich habe heute einen wichtigen Termin in Dumfries, ist denn da gar nichts zu machen?«
»Auf keinen Fall. Ihr Kopf und die Halswirbelsäule brauchen Ruhe. Ich erlaube für die nächsten zwei Tage höchsten den Gang ins Bad oder den Weg vom Bett in einen Sessel. Und ich meine das sehr ernst.«
Mary nickte. »Das habe ich befürchtet. Kann ich denn wenigstens einmal telefonieren?«
»Haben Sie ein Handy?«
»Ich hatte eines im Auto, es müsste bei meinem Gepäck liegen. Aber das Wasser wird ihm schlecht bekommen sein.«
»Das fürchte ich auch. Wollen Sie meines nehmen?«
»Ich habe die Nummer nicht im Kopf.«
»Dann müssen wir den Lord nach Ihren Sachen fragen. Aber denken Sie daran, Sie dürfen sich nicht aufregen.«
»Das ist leichter gesagt als getan, ich kämpfe um meine Existenz, um genau zu sein.«
»Das ist schlecht. Ich werde mit dem Lord sprechen, er soll sich etwas einfallen lassen.«
Als der Arzt gegangen war, schloss Mary die Augen. Diese Besuche strengten sie mehr an, als sie zugeben wollte. ›Himmel, in welchen Schlamassel bin ich da geraten?‹, überlegte sie und befühlte ihren Kopf. Die Wunde schien nicht schlimm zu sein, sonst wäre sie genäht worden. Aber die Haare, die man abgeschnitten hatte, würden lange zum Nachwachsen brauchen.
›Na gut, ich werde die Frisur ändern und den Scheitel auf der anderen Seite ziehen, dann sieht man die Lücke nicht.‹
Es klopfte schon wieder. David McClay kam mit einem schnurlosen Telefon in der Hand und einem dicken Telefonbuch im Arm. »Doktor Grantino macht mir die Hölle heiß. Damit Sie endlich zur Ruhe kommen, soll ich für Sie Telefongespräche führen und Ihre Stellung sichern.«
»Es tut mir leid, Lord McClay, aber er lässt mich nicht aufstehen.«
»Also erstens, den Lord lassen Sie bitte weg. Und zweitens, ich habe Ihnen gestern versprochen, mich um Ihre Angelegenheit zu kümmern. Wen möchten Sie anrufen?«
»Im Antiquariat Alexander Salvan in Dumfries wird heute eine Engelskulptur von Titurenius versteigert, die ich für das ›Museum of Art History‹ in Edinburgh ersteigern sollte. Es ist mein erster großer Auftrag.«
»Als was arbeiten Sie in dem Museum?«
»Als Expertin für antike Sammlungen. Ich habe Kunst studiert und mich auf Antiquitäten spezialisiert. Die Skulptur gehört zu einem Zyklus, den wir damit vervollständigen könnten. Nach vielen Jahren ist die Figur heute endlich auf dem Markt, und nun liege ich hier und kann sie nicht besorgen.«
David McClay schwieg einen Augenblick. »Wann sollte die Auktion stattfinden?«
»Nachmittags, sechzehn Uhr.«
Er sah auf die Uhr. »Bis dahin kann ich in Dumfries sein. Ich könnte sie ersteigern, aber wie erkenne ich sie?«
»In meiner Aktentasche war ein Prospekt mit einer guten Abbildung. Und es ist die einzige Skulptur an diesem Nachmittag.«
»Gut, ich lass den Wagen vorfahren und hole den Prospekt.«
Er stand auf und verließ eilig das Zimmer. Als er wenig später zurückkam, hatte er den feuchten, welligen Hochglanzkatalog in der Hand. »Ist noch nass, aber die Bilder sind erkennbar.« Er reichte Mary den Katalog. »Wie viel darf die Skulptur kosten?«
»Man hat mir keine Grenze gesetzt, weil wir den Engel so dringend brauchen, aber dass ich sparsam sein soll, ist selbstverständlich. Und man will Bargeld als Anzahlung.«
»Ich verstehe. Aber ich muss trotzdem wissen, wie weit ich gehen kann.«
Mary zählte ihm auf, was die anderen beiden Skulpturen wert waren, und McClay nickte: »Dann weiß ich ungefähr, was ich bieten darf.«
Er verabschiedete sich schnell, und wenig später hörte sie das Aufheulen des Maserati, der mit hoher Geschwindigkeit die Schlosseinfahrt verließ.
Als Hanna wenig später das Mittagessen, eine klare Bouillon mit Grießklößchen, von der die Köchin behauptete, die könnte auch den kränksten Menschen gesund machen, brachte, war sie noch immer sprachlos. »Der Lord ist davongefahren wie ein Teufel. Zum Glück hat er den Chauffeur am Steuer, man sieht ja, was sonst dabei herauskommt«, zwinkerte sie Mary zu. »Wo will er denn hin, er hat doch endlich Ferien?«
Mary, amüsiert über die unverhohlene Neugier, die da zum Vorschein kam, lächelte. »Er will meine
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