Schottische Engel: Roman (German Edition)
zurückrufen. Danke, Stephan, und jetzt legen Sie sich noch eine Weile aufs Ohr, der Tag hat ja kaum angefangen, und es war auch für Sie eine lange Nacht.«
»Aber jetzt ist es hell, und meine Arbeit beginnt.«
»Unsinn, ich komme allein zurecht. Ich muss nur duschen und mich umziehen, dann läuft alles wie geplant.«
»Ja, Mylord. Ich habe oben alles für Sie zurechtgelegt, und die Koffer sind auch gepackt, Sie wollten ja heute schon wieder abreisen.«
»Ich muss nach Galashiels und dann weiter. Ich melde mich, wenn ich weiß, wo ich Sie demnächst brauche.«
»Danke, Mylord.«
Hanna kam mit dem Frühstück und deckte den Tisch im Morgenzimmer, das der Hausherr bevorzugte, denn dort schien die Sonne zuerst durch die Fenster. David zog nur die Stiefel aus und wusch sich die Hände, dann setzte er sich an den Tisch. Er hatte seit dem Frühstück am Vortag nichts mehr gegessen, das Bad musste warten, bis er satt war.
Die Köchin hatte frische Scones gebacken, und Hanna servierte sie mit Butter aus dem Fass und Feigenchutney. Dazu gab es heißen, duftenden Kaffee. Außerdem hatte sie Yorkshire Pudding mit Roastbeef, pochierte Eier und als Süßspeise Profiteroles mit warmer Schokoladensauce auf die Anrichte gestellt.
Als sie den Lord bedienen wollte, winkte er ab. »Lassen Sie nur, Hanna, ich hole mir selbst die Sachen. Legen Sie sich auch noch eine Stunde hin, Sie haben die ganze Nacht gewacht, ich finde mich allein zurecht.«
»Nein, Mylord, ich kenne meine Pflichten, so alt, dass ich eine durchwachte Nacht nicht verkraften könnte, bin ich noch nicht.« Und schon eilte sie wieder in die Küche.
David aß mit Genuss. Als er sich das zweite Mal vom Roastbeef holte und zum Tisch zurückging, fiel sein Blick auf die geöffnete Tür. Und in der Tür stand Mary Ashton. Sprachlos starrte David die junge Frau an. Dann flüsterte er: »Träume ich? Oder bist du eine Halluzination?«
Mary lächelte und schüttelte den Kopf. »Man hat mir mit Tränen in der Stimme gesagt, du seiest verloren gegangen. Ich musste kommen, um bei der Suche zu helfen.«
»Ich fasse es nicht! Du bist gekommen, um mich zu suchen?« David stellte seinen Teller ab und ging zu der jungen Frau, die noch immer im Türrahmen stand.
»Ich habe mir Sorgen gemacht. Als ich später noch einmal angerufen habe, war die Verbindung tot. Da habe ich richtig Angst um dich bekommen.«
»Du hast dir Sorgen gemacht! Du hast Angst um mich gehabt! Mary, du bist der einzige Mensch in meinem Leben, der sich jemals Sorgen um mich gemacht hat. Ich kann's kaum glauben.«
»Du irrst, wenn du meinst, noch nie hätte sich jemand Sorgen um dich gemacht. Deine Mutter hatte bestimmt oft Angst um dich. Mütter haben das so an sich.«
Er war langsam auf sie zugegangen, jetzt hatte er sie erreicht und nahm sie in die Arme. »Mary, meine Mutter war nicht der Typ einer liebevollen Mama. Sie war eine Lady, eine Dame der High Society, die Sorgen um die Kinder mussten andere haben: Kindermädchen, Gouvernanten, Erzieher. Und mit sechs Jahren bin ich ins Internat geschickt worden, das ich schließlich als erwachsener Mensch verlassen habe.«
Er presste sie heftig an sich. »Mary, mein Mädchen, ich danke dir, dass du Angst um mich hattest. Es ist ein Gefühl, an das ich mich erst gewöhnen muss.«
Mary löste sich ein wenig. »David, wo warst du denn, warum hat der Butler am Telefon geweint? So ein Mann weint doch nicht grundlos.«
»Komm, setz dich zu mir. Du bist die Nacht durchgefahren, du hast Hunger, komm, iss etwas. Und der Kaffee ist auch ganz frisch.«
Mary setzte sich zu ihm, Hanna kam und füllte die Platten auf, und eine neue Kanne Kaffee hatte sie auch gleich dabei.
David wartete, bis Mary sich bedient hatte, dann erzählte er von seinem Ausritt, den er so genossen hatte, von dem Adlerpaar, das anscheinend nicht in seinem Horst nistete, von den Federn und der beringten Kralle, die er gefunden hatte, und von dem plötzlichen Schuss. »Da hat sich Lancelot losgerissen und ist davongaloppiert. Und mit ihm mein Handy in der Satteltasche.«
»Und du musstest den Weg zu Fuß zurückgehen?«
»Ich war vier Stunden mit dem Pferd unterwegs, viele Strecken sind wir galoppiert, es war also ein weiter Weg. Und es wurde schneller dunkel, als ich berechnet hatte.«
»Und dann hat man dich gefunden. Wer hat dich gefunden?«
»Der Hund vom Schäfer Paul war der Erste.«
»Gott sei Dank, dann kann ich beruhigt zurückfahren.«
»Das kommt gar nicht infrage.« David
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