Schottische Engel: Roman (German Edition)
fürstlich eingerichtet, andere, die nicht gebraucht wurden, waren mit Brettern vernagelt. Mary sah sich die Arbeit der Schauspieler von der Tür aus an. Es roch nach Staub und Schminke und Scheinwerferhitze und auch nach Schweiß.
»Na, was sagst du?«
»Es riecht nach Arbeit«, flüsterte sie.
»Und wie findest du die Ausstattung? Wir haben sie aus verschiedenen Museen leihen müssen. So ein historischer Film ist ein kostspieliges Unternehmen.«
»Ich nehme an, es handelt sich um die Zeit der Renaissance in Schottland. Die Truhen und die Schränke sehen sehr echt aus. Aber die Tische und die Stühle passen nicht in diesen Raum, die stammen aus dem Barock, David. Diese aufwendig gearbeiteten Fauteuils mit den vergoldeten, reichen Schnitzereien und den kostbaren Stoffen gehören in ein späteres Jahrhundert. Ich fürchte, das sehen Kenner auf den ersten Blick.«
»Mary, ist das wahr? Das ist doch unmöglich. Ich habe Experten, die sich um solche Sachen kümmern sollen, hoch bezahlte Experten.«
»Es tut mir leid, David. Aber wenn ich schon hier stehe und das sehe, dann muss ich das auch sagen.«
»Selbstverständlich«, flüsterte David fassungslos. Dann brüllte er: »Halt, aufhören. Man hat uns falsche Möbel untergejubelt.« Im Raum herrschte Totenstille. Dann ging ein Geraune durch den Raum, wurde lauter, dann riefen alle durcheinander, der Regisseur sprang von seinem Stuhl auf, der Kameramann schwebte mit seinem Lift herunter, der Toningenieur legte die Lautsprechertüte beiseite, und der Bühnenbildner wurde blass. Alle starrten den Lord an.
»Leute«, beschwichtigte er sein Team, »ihr könnt nichts dafür. Die Stühle, die Ruhemöbel und die Tische gehören in ein anderes Jahrhundert. Sie müssen ausgetauscht werden. Für heute machen wir Schluss mit den Innenaufnahmen und versuchen, mit den Cuttern so viel Filmmaterial zu retten, wie möglich ist. Also alles Material, das diese Möbel nicht zeigt, können wir verwenden. Die anderen Szenen müssen neu gedreht werden. Aber erst, wenn wir die entsprechenden Möbel besorgt haben. Also, Schluss für heute, ruht euch aus, und morgen machen wir mit den Außenaufnahmen weiter, bis das Mobiliar ausgetauscht ist.«
Mary zog sich erschrocken zurück. Sie hatte nicht erwartet, so ein Chaos hervorzurufen. Plötzlich stand sie im Mittelpunkt. Alle starrten sie an, die einen wütend, die anderen fassungslos, und einige gingen grinsend an ihr vorbei, als wollten sie sagen: »Großartig, 'ne unverhoffte Pause.«
David stellte sich schützend neben Mary und erklärte: »Leute, wir können froh sein, dass wir hier eine Expertin haben, die uns auf unsere Fehler aufmerksam macht, bevor wir uns in der Öffentlichkeit blamieren.« Langsam beruhigten sich die aufgebrachten Mitarbeiter, und die Wut über die zeitraubende und nun doch unnütze Arbeit richtete sich gegen den Dekorateur.
»Mensch, Willy, kannste nich aufpassen. Wo haste denn deine Augen gehabt? Jetzt, wo der Chef das sagt, sieht's doch ein Blinder.«
Der Lord winkte ab. »Schuld sind unsere sogenannten Experten. Auf die müssen wir uns verlassen können. Ich denke, da werde ich einiges ändern müssen. Also, macht eine Pause.« Und zum Regisseur und den Cuttern gewandt: »Wir treffen uns in einer halben Stunde im Schneideraum.« Dann hakte er sich bei Mary ein. »Ich danke dir. Du hast uns vor einer großen Blamage gerettet. Siehst du nun, wie wichtig mein Angebot an dich ist? Ich brauche jemanden, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann, jemanden wie dich, Mary.«
»Ach, David, das war doch ein purer Zufall.«
»Ein Zufall, der mich meinen Ruf gekostet hätte. Bitte, Mary, komm' zu uns, wir brauchen dich.«
Mary fühlte sich hin- und hergerissen. Sie liebte ihre Arbeit, ihre Selbstständigkeit und ihre Anerkennung im Museum. Sie wäre aber auch gern in Davids Nähe geblieben, eine Arbeit dieser Art würde ihr Spaß machen, sie persönlich fördern und ihr die Tore für eine spannende Zukunft weit öffnen. Voller Zweifel und Fragen sah sie den Mann an ihrer Seite an. »Lass mir etwas Zeit, David. Ich muss darüber nachdenken. Es ist eine weitreichende Entscheidung für mich.«
»Das verstehe ich. Aber lass mich nicht zu lange warten, und ein ›Nein‹ akzeptiere ich nicht.« Er begleitete sie zu ihrem Wagen. »Mary, wir beide, wir könnten die Welt verändern. Zumindest die Filmwelt.« Jetzt lachten sie beide. »Bring deinen Engel ins Museum und dann komm so schnell du kannst zu
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