Schottische Engel: Roman (German Edition)
»Mister Södergren, ich weiß, was ich gehört habe, Sie brauchen nichts zu beschönigen oder ins Lächerliche zu ziehen. Ich bin weder an Ihnen noch an Ihrem Geld, noch an Ihrer Sammlung interessiert. Ich bin ein pflichtbewusster Mensch, und wenn ich zu einer Arbeit gerufen werde, dann versuche ich, diese Arbeit zu machen, und zwar ohne ein raffiniertes Frühstück, ohne Pralinen und schmeichelhafte Worte und vor allem ohne Streicheleinheiten, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Liebste Mary, ich entschuldige mich für alles, was ich falsch gemacht habe. Aber ich bitte Sie von Herzen, bleiben Sie hier, mir liegt so viel an Ihren Untersuchungen.«
»Ich werde meine Entscheidung von einem Gespräch mit dem Museums-Kuratorium abhängig machen. Kann ich irgendwo ungestört mit meinem Handy telefonieren?«
»Aber ja, natürlich Mary, kommen –«
»Miss Ashton, wenn ich bitten darf, Mister Södergren.«
»Ja, selbstverständlich. Bitte kommen Sie, Sie können in meinem Arbeitszimmer telefonieren.«
»Danke. Und bitte lassen Sie mich allein.«
Mary wählte die Nummer von Direktor Connor, und als sich Miss Abberton, die Sekretärin, meldete, bat sie: »Bitte, verbinden Sie mich mit Professor Connor, es ist dringend.«
Als sie ihren Chef in der Leitung hatte, erzählte sie ihm in kurzen Zügen, was sich im Hause Södergren zugetragen hatte und dass sie von einem Wächter am Verlassen des Grundstücks gehindert worden war. »Ich fühle mich wie eine Gefangene hier, was soll ich machen?«
»Mary«, beruhigte sie der Professor, »Sie brauchen keine Angst zu haben, wir wissen, wo Sie sind, und wir helfen Ihnen, wann immer es nötig ist. Aber bitte bleiben Sie, Sie wissen doch, wie wichtig Ihre Arbeit dort ist. Ich rechne fest mit Ihrem Erfolg, Sie wissen doch, was ich damit meine?«
»Ja, sicher weiß ich das, und das ist der einzige Grund, hierzubleiben, sonst hätte ich statt Ihrer Nummer die der Polizei gewählt.«
»Glauben Sie denn, dass der Herr richtig handgreiflich werden könnte?«
»Nein, eigentlich nicht, er hat schließlich einen guten Ruf zu verlieren, aber die Atmosphäre ist alles andere als angenehm.«
»Das glaube ich Ihnen, Mary, versuchen Sie es trotzdem. Ich komme heute Abend und hole Sie persönlich dort ab. Dagegen wird auch Södergren nichts einzuwenden haben. Und morgen sieht die Angelegenheit dann vielleicht schon besser aus.«
»Ich werde eine Woche lang hier zu arbeiten haben. Södergren hat sehr viele Objekte und wirklich auch sehr wertvolle.«
»Haben Sie das entsprechende Objekt schon einmal gesehen?«
»Nein, dazu sind wir noch nicht gekommen.«
»Also ist es am allerwichtigsten, dass Sie vor Ort bleiben. Bitte, Mary.«
»Gut, ich bleibe. Aber vergessen Sie mich heute Abend nicht.«
»Sie können sich auf mich verlassen.«
Mary beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ein. Dann holte sie tief Luft und ging zurück in den Nebenraum. ›Ich werde das schaffen‹, dachte sie, ›ich werde den Engel sehen und holen, und wenn sich die Södergrens meinetwegen anschreien und streiten, ich werde durchhalten.‹
Das Zimmer war leer, auf dem Tisch stand ihr Werkzeugkoffer. ›Man hat ihn also aus meinem Auto geholt‹, dachte sie, ›man rechnet fest damit, dass ich bleibe. Oder hat man mein Gespräch belauscht? Na ja, wir haben uns sehr vorsichtig verhalten, und ein bestimmtes Objekt wurde nie mit Namen benannt. Also, was soll's?‹ Sie verließ den Raum und stieß in der Halle auf den Butler.
»Wo soll ich die nächsten Objekte untersuchen?«
»Bitte, kommen Sie mit.« Der Mann in schwarz gestreifter Hose und grau gemusterter Weste führte sie durch zwei Räume und öffnete die Tür zu einem großen Festsaal. »Bitte hier entlang. Mister Södergren kommt sofort.«
Mary sah sich in dem Saal um. An den Wänden hingen einige sehr wertvolle Bilder, aber für Gemälde war sie nicht zuständig. Allenfalls für das Holz der Rahmen, aber darum würde es einem Sammler kaum gehen. An einer Seite stand ein sehr alter Fassadenschrank, der durchaus ein Sammlerstück sein konnte. Sie ging etwas näher an den Schrank, berührte ihn aber nicht. Erst als Södergren in den Saal und freudestrahlend auf sie zukam, nickte sie ihm zu. »Ein sehr schöner Fassadenschrank, Mister Södergren.«
»Ja, nicht wahr? Ich habe ihn vor Jahren in Süddeutschland ersteigert. Diese Schränke waren dort im 16. Jahrhundert eine Spezialität. Er trägt noch die Wappen seines damaligen Besitzers. Für
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