Schottisches Feuer
erraten haben konnte, wer Duncan war, konnte ihre Neugier doch gefährlich sein. »Er ist ein Wachmann, den mein Bruder geschickt hat, was sollte ich denn sonst noch über ihn wissen?«
»Er sieht nicht aus wie ein Wachmann«, meinte die Marchioness unumwunden.
Ausnahmsweise einmal mit ihrer Schwiegermutter einer Meinung fluchte Jeannie innerlich. Duncan sah nicht wie ein typischer Soldat aus – nicht nur wegen seiner kostbaren Kleidung, sondern wegen seiner Haltung. Wenn sie gesagt hätte, dass er ein König sei, wäre das glaubwürdiger gewesen. Schnell dachte sie nach. »Er ist ein Söldner.«
Die Marchioness schürzte angewidert die Lippen. »Ich verstehe.« Sie schenkte Jeannie ein durchtriebenes Lächeln. »Ich denke doch nur an dein Wohl, Tochter. Eine Frau in deiner Position kann nie vorsichtig genug sein, um Gerede zu vermeiden.«
Bei der versteckten Anspielung stellte Jeannie verärgert die Stacheln auf. »Und welche Position ist das genau? Ich bin die Herrin der Burg, warum sollte irgendjemand darüber reden, ob ich einem verletzten Mann ein Tablett mit Essen bringe?«
»Du hast natürlich recht. Kein Zweifel, ich bin einfach nur übervorsichtig. Ich mache mir Sorgen um dich und Helen allein hier draußen, wenn ich abreise.«
Jeannie hatte Ella – ein Kosename, der von Dougall geprägt worden war, der »Helen« anfangs nicht aussprechen konnte – den ganzen Morgen über nicht gesehen. Sie schauderte bei dem Gedanken, welchen Unfug ihre Tochter heute wohl wieder angestellt hatte. Jeannie versuchte, geduldig zu sein, doch der kleine Wildfang war nach dem Tod ihres Vaters sogar noch eigensinniger geworden und weigerte sich völlig, auf sie zu hören. Sie hatte ihren eigenen Kopf und teilte unglücklicherweise die Neigung ihrer Mutter und Großmutter zur Impulsivität. Sturheit und Ungestüm waren keine gute Kombination.
Jeannie wandte sich wieder ihrer Schwiegermutter zu. »Dann kehrst du also nach Castle Gordon zurück?«, fragte sie und hoffte dabei, dass sie nicht zu erfreut klang.
Die Marchioness musterte sie scharfsinnig, als wüsste sie genau, was Jeannie dachte. »Ich habe Nachricht vom Marquis bekommen, dass er den Forderungen des Königs nachgegeben hat und das Glaubensbekenntnis unterschreiben wird.«
Wieder einmal, dachte Jeannie. Und vermutlich mit ebenso viel Aufrichtigkeit wie bei allen vorhergegangenen Beteuerungen, dass er seinem katholischen Glauben abgeschworen hatte. »Dann wird er aus Stirling Castle freigelassen?«
»Bald schon, wie ich hoffe.« Sie presste den Mund zu einem harten Strich zusammen. »Obwohl Argyll nach Gründen sucht, um das zu verhindern.« Ein weiterer Grund, warum das plötzliche Wiederauftauchen Duncans sich als ärgerlich erweisen konnte. »Hast du schon über den Sohn des Earls of Erroll nachgedacht?«
Verneinend schüttelte Jeannie den Kopf. »Ich bin noch nicht bereit für eine Wiedervermählung.« Und falls sie es je sein sollte, dann nicht mit einem Mann, der so sehr unter der Fuchtel des Marquis stand. Die Gordons brachten ihren Wunsch, den Erben ihres Sohnes unter ihrer Kontrolle zu haben, nicht gerade subtil zum Ausdruck. Sie hatten bereits Francis’ Cousin zu seinem Tutor ernannt.
Die Marchioness nickte. Sie hatte ihren zweiten Sohn geliebt, und diese Zuneigung war das Einzige, das ihr Verlangen dämpfte, Jeannie sofort wieder verheiratet zu sehen.
»Du darfst nicht zu lange warten«, meinte ihre Schwiegermutter. »Helen braucht den Einfluss eines Mannes.« Die unterschwellige Kritik entging Jeannie nicht, und sie ärgerte sich darüber. »Gerade heute Morgen habe ich sie dabei erwischt, wie sie wieder unter dem Küchentisch versteckt den Klatsch der Diener belauschte.«
Jeannie biss sich auf die Lippe, denn sie wusste, dass sie sich eigentlich angemessen entsetzt geben sollte, doch sie erinnerte sich nur allzu gut an ihre eigenen Verstecke, von denen aus sie die Küchenmägde beim Schwärmen über den neuesten gut aussehenden …
O nein! Der Magen drehte sich ihr um, und beinahe hätte sie das Tablett fallen lassen. Das würde Ella nicht tun. Doch Jeannie wusste genau, dass sie es doch täte. Schnell murmelte sie ihrer Schwiegermutter eine knappe Entschuldigung zu und stieg dann ruhig die Treppe hoch, obwohl alles in ihr instinktiv danach drängte zu rennen. Ihre Tochter von ihm fortzureißen.
Sie hörte ihre Stimmen bereits am Fuß der Treppe. Angst stieg in ihr hoch. Energisch befahl sie sich, sich zu beruhigen. Ella konnte nichts
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