Schottisches Feuer
sagen, was seinen Verdacht wecken könnte, und Duncan würde sie nie verletzen. Nicht absichtlich zumindest. Aber Ella war so sensibel, so verletzlich seit dem Tod ihres Vaters. Und Duncan war so kalt und abweisend – hart bis ins Mark. Ella würde seine Distanziertheit nicht verstehen.
Jeannie hastete die Stufen hoch und hörte Ella sagen: »Nein, das ist das Zimmer meines Bruders.« Dougall. O Gott! Ihr Herz wurde kalt wie Eis.
Dann Duncans Stimme. »Wo ist dein Bruder …?«
Jeannies plötzliches Auftauchen in der Tür unterbrach ihn. Er bemerkte ihre aufgerissenen, angsterfüllten Augen und ihr heftiges Atmen.
»Ella!«, rief sie.
Ihre Tochter drehte sich unsicher um, denn Jeannies knapper Tonfall versetzte sie in Alarmbereitschaft.
»Ich habe gar nichts gemacht«, sagte Ella sofort.
Jeannie nahm die Szene in sich auf: Ihre Tochter saß mit untergeschlagenen Beinen auf der Truhe, und Duncan lag entspannt auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt – und mit nachgiebigem Ausdruck in den Augen. Einen Augenblick lang flogen ihre Gedanken zurück an den Loch. Genauso hatte er dagelegen, nachdem …
Aufhören. Entschlossen verdrängte sie die Erinnerung.
Ihre Angst verflog ein wenig, und sie rang sich ein Lächeln ab, als sie sich an ihre Tochter wandte. »Ich weiß«, entgegnete sie, sich deutlich bewusst, dass Duncan sie musterte. Mit zitternden Händen stellte sie vorsichtig das kleine hölzerne Tablett auf dem Tisch ab. »Aber Duncan braucht etwas Ruhe. Und es ist schon fast Zeit für deinen Unterricht.«
Ella warf Duncan einen sehnsüchtigen Blick zu, der Jeannie das Blut in den Adern gefrieren ließ. War ihre Tochter in dieselbe Falle getappt wie sie und sofort fasziniert von ihm?
»Muss ich?«, quengelte sie und bedachte ihre Mutter mit einem äußerst gekränkten Blick.
Streng nickte Jeannie, ohne sich von den großen, flehenden, blauen Augen erweichen zu lassen. »Hol die anderen zusammen, ich komme gleich hinunter.«
Ella sprang von der Truhe und hüpfte aus dem Zimmer, dass die kastanienbraunen Locken hinter ihr hertanzten. Erst dann stieß Jeannie einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie wandte sich wieder zu Duncan um. Sein Blick war frostig.
Von seiner Verletzung offensichtlich unbehindert stand er auf. »Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich ihr etwas tun könnte?«
Die Schultern straffend wich sie vor seiner wütenden Zurechtweisung nicht zurück, doch als er auf sie zukam, verspürte sie den plötzlichen Drang zu flüchten. Sich seiner mächtigen nackten Brust unangenehm bewusst wusste sie nicht, wo sie hinsehen sollte. Ihr wurde heiß, und sinnliche Erregung erfüllte ihren Körper.
Wie war es möglich, dass er nach zehn Jahren immer noch so starke Empfindungen in ihr auslösen konnte? Das ergab keinen Sinn, sie hatte ihn doch nur so kurze Zeit gekannt. Warum reagierte ihr Körper nach so vielen Jahren immer noch? Warum tat die Erinnerung immer noch weh? Halb hatte sie sich eingeredet, dass sie ihn niemals wirklich geliebt hatte – dass sie sich wie ihre Mutter vom Augenblick hatte hinreißen lassen.
Warum konnte sie nicht wie er sein? Mit steinerner Miene und gleichgültig. Er sah sie mit der passenden Dosis Vertrautheit an – wie jemanden, den er vor langer Zeit gekannt und der ihn verraten hatte. Wenn er sich an ihre Intimität erinnerte, dann ließ er es sich nicht anmerken – selbst wenn sie nackt vor ihm gestanden hätte, hätte er nicht einmal einen Funken von Verlangen gezeigt. Ein scharfer Gegensatz zu der Art, wie seine Augen früher bei jedem Blick vor Hitze geglüht hatten. Jetzt sah er sie auf dieselbe Weise an wie alle anderen. Wenn je etwas Besonderes zwischen ihnen gewesen war, dann war es nun fort.
»Ich war mir nicht sicher«, sagte sie und senkte die Augen.
Das war ein Fehler. Ihr Blick fiel genau auf die Stelle an seiner Schulter, an der sie so gerne ihr Gesicht vergraben hatte. Einen Augenblick lang stand sie wie versteinert, und das Herz stieg ihr in die Kehle. Schmerz quoll aus einem vergessenen Ort hervor. Ihr Atem kam krampfhaft – hart und unregelmäßig. Wenn sie die Augen schließen würde, könnte sie sich an die Wärme erinnern, die sie durchflutet hatte, während sie die Wange an seine Haut presste und sich an seinen Körper schmiegte. An die Zufriedenheit. Die Sicherheit. Das Gefühl, dass nichts sie je wieder verletzten konnte, wenn sie an seiner Seite war.
Gott, werde ich denn je vergessen?
» Sieh mich an,
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