Schottisches Feuer
Ich bin petite . Zumindest hat mein Vater das gesagt, und er hat mir versichert, dass da ein Unterschied ist. Oder etwa nicht?« Duncan nickte, immer noch aus der Fassung gebracht von ihrer Erwähnung eines Bruders, doch sie achtete gar nicht auf ihn. » Petite ist ein französisches Wort«, erklärte sie. »Es bedeutet ›zart und zierlich‹.«
Sie erwartete von ihm, dass er beeindruckt war, und er wollte sie nicht enttäuschen. »Aha«, meinte er nickend.
Offensichtlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass er keine große Bedrohung darstellte, denn sie setzte sich auf die Truhe am Fuß des Bettes. »Aber Dougall ist bloß eifersüchtig. Ich bin schon durch den Fluss Dee geschwommen, als ich erst sechsdreiviertel war, und er hat das erst mit siebeneinviertel gemacht.«
»Das ist eine ganz schöne Leistung. Wie alt ist denn dein Bruder?«
Es war lächerlich, aber alles in ihm verkrampfte sich, bis sie antwortete: »Er wurde gerade neun, an Michaeli.« Am 29. September. In Gedanken rechnete Duncan die Monate zurück. Sie musste im Januar empfangen haben. Er hatte Schottland Mitte August verlassen – fast fünf Monate früher.
Der Schraubstock um seine Brust lockerte den Griff. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Nie hatte er daran gedacht … Er war so in seinem eigenen Zorn gefangen gewesen, dass er nie die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, Jeannie könnte ein Kind erwarten. Doch beide Kinder waren zu jung, um von ihm zu sein.
Ella hatte seine geistige Abwesenheit nicht bemerkt. Vielmehr strahlte sie bei dem Gefühl, einen aufmerksamen Zuhörer zu haben, und ihr bezauberndes Gesicht wurde sogar noch lebhafter, als sie weiter über die vielen Dinge plapperte, die Mädchen konnten und die von älteren Brüdern nicht gewürdigt wurden. Offensichtlich gab es davon eine ganze Menge.
Da er sich auch bei ihrer Mutter bereits in ähnlichen Umständen befunden hatte und ihm klar war, dass das eine Weile dauern konnte, tat Duncan das, was jeder weise Mann tun würde. Er legte sich zurück aufs Bett und machte es sich gemütlich.
Jeannie musste sich zwingen, nicht gleich als Erstes am Morgen nach Duncan zu sehen. Stattdessen kümmerte sie sich um ihre Pflichten, ging mit dem Seneschall, dem Leiter des Haushalts, die Bücher durch und plante mit dem Koch die Mahlzeiten des Tages, als ob der Mann, der sie vor zehn Jahren mit gebrochenem Herzen sitzengelassen hatte, nicht plötzlich zurückgekehrt wäre und drohte, alles zu zerstören.
Mairghread hatte vor einiger Zeit nach Duncan gesehen und zufrieden festgestellt, dass er noch schlief. Ruhe war jetzt das Beste für ihn, versicherte ihr die Heilerin, was Jeannie wiederum den beiden Unholden sagte, die sie während ihres Frühstücks im Saal in die Zange nahmen. Der Ire und der Nordmann waren nicht allzu glücklich über ihre Weigerung, sie zu ihm zu lassen, doch Jeannie ließ sich von ihren breiten Brustkörben und baumstammdicken Armen nicht einschüchtern. Wenn es ihrem Anführer am Nachmittag deutlich besser ging, dann durften sie vielleicht zu ihm. Sie würde es sie wissen lassen. Offensichtlich war es neu für sie, ein »Nein« zu hören, und Jeannie nutzte diese Verblüffung zu ihrem Vorteil, indem sie sie einfach stehen ließ, sodass sie ihr nur noch verdutzt hinterherstarren konnten.
Kurz vor Mittag stieg Jeannie mit einem Tablett mit Essen die Treppe von den Küchengewölben herauf. Sie ging durch den Saal zum Treppenhaus des Turms. Zu ihrem Pech kam die Marchioness gerade zur selben Zeit aus ihrer Kammer und die Treppe herunter.
»Wohin willst du mit diesem Tablett?«, wollte die ältere Frau wissen.
»Ich hatte gehofft, dass der Wachmann aufgewacht ist und sich gut genug fühlt, um etwas zu essen.«
Die Augen der Marchioness wurden schmal. »Sicher sind doch auch die Dienstboten in der Lage, ein Tablett zu tragen. Es sei denn, es gibt noch einen anderen Grund für deine Fürsorge.«
Vor Verärgerung lief Jeannies Gesicht rot an. Sie war die herrische Art ihrer Schwiegermutter leid. Schließlich brachte sie ihm doch nur eine Mahlzeit, um Himmels willen! »Natürlich könnten das auch die Dienstboten, aber ich kümmere mich selbst darum. Es ist meine Schuld, dass er verletzt ist, und darum liegt die Verantwortung für seine Pflege in meinen Händen.«
»Hältst du das für eine gute Idee? Was weißt du denn eigentlich über diesen Mann?«
Jeannie durchlief ein Schauer der Beunruhigung. Obwohl die Marchioness nicht
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