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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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nicht gut zu verstehen. Er ist eine Stimmungskanone, müssen Sie wissen. Hat es gern, wenn ordentlich was los ist. Wenn ich es genau bedenke, war es Beatrice vielleicht manchmal sogar etwas zu viel. Er hat sie immer aufgezogen, wissen Sie, nichts Bösartiges, aber sie mochte nicht gern im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.«
    »Hat er sie nur aufgezogen oder kam es dabei auch zu körperlichen Kontakten?«
    »Eigentlich nicht. Na ja, er kitzelte sie manchmal oder drohte damit, sie ins Wasser zu werfen, so etwas in der Art. Er hat eben mit ihr rumgealbert.«
    Erst im Nachhinein wurde Andrew klar, was er gesagt hatte und wie man seine Worte interpretieren konnte.
    »Sie glauben doch nicht etwa, dass Lyle   – Sie können nicht   … Sie können nicht glauben, dass er etwas mit der Sache zu tun hat   …? Er ist doch kein   – nein, das ist unmöglich.«
    »Er ist kein was, Mr Lawson?«
    »Er   … Sie wissen schon   … er interessiert sich nicht für kleine Mädchen.« Andrew schüttelte energisch den Kopf.»Nicht auf diese Art. Ich meine, das würde man merken, oder nicht? Ich würde das merken. Wir waren so oft zusammen   – ich wüsste das.«
    Will lächelte beschwichtigend. »Bestimmt haben Sie recht. Aber wir würden uns trotzdem gerne mit Ihrem Freund Lyle unterhalten. Lediglich, um das Bild zu vervollkommnen. Sie können uns sicher seine Adresse geben?« Er erhob sich. »Nur noch eines zum Schluss. Und das ist wirklich rein hypothetisch. Angenommen, Lyle war unterwegs und hat angehalten, um Beatrice mitzunehmen, hätte sie das Angebot angenommen?«
    »Ich denke schon, wahrscheinlich ja. Aber Lyle fährt gar nicht so einen Wagen, wie Sie ihn beschrieben haben. Und außerdem hätte er es uns sofort gesagt.«
    Will streckte die Hand aus. »Wie gesagt, Mr Lawson, das ist eine rein hypothetische Frage. Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Wir sprechen uns mit Sicherheit wieder.« Er senkte seinen Kopf in Ruths Richtung. »Auf Wiedersehen, Mrs Lawson.«
    Sie sah ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
    Beim Hinausgehen warf Will Anita Chandra einen Blick zu, der ihr sagte, sie solle ihm folgen.
    »Lyle Henderson«, sagte er, sobald sie in der Diele waren. »Ist er hier aufgetaucht?«
    »Er hat seine Frau abgeholt, nachdem Ruth Lawson ins Krankenhaus gebracht wurde.«
    »Davor nicht?«
    »Nein. Seine Frau, Catriona, war allein hier.«
    »Sie hat nicht zufällig erwähnt, wo ihr Mann war und warum er nicht mitgekommen ist?«
    »Nein, kein Wort. Und ich habe sie nicht gefragt   …«
    »Immer mit der Ruhe. Dazu hatten Sie ja auch gar keinen Grund.«
    »Glauben Sie, er könnte in die Sache verwickelt sein?«
    Will verzog das Gesicht. »Ich bin immer misstrauisch, wenn einem die Dinge einfach in den Schoß fallen. Aber wir werden ihn selbstverständlich überprüfen.«
    Sie nickte. »Sie ist verschwunden, nicht wahr?«, sagte sie leise. »Beatrice. Sie ist entführt worden. Es gibt keine andere Erklärung.«
    Will sah auf den Raum zurück, wo die Eltern immer noch saßen. »Ihre Aufgabe ist wirklich nicht einfach. Sie dürfen sie nicht dazu ermutigen, zu viele falsche Hoffnungen zu nähren, aber Sie dürfen sie auch nicht verzweifeln lassen. Das ist schwer.«
    »Dafür bin ich ausgebildet.«
    »Ich weiß. Und Sie leisten gute Arbeit, das merke ich.«
    »Danke, Sir.« Sie errötete ein wenig und sah weg.
    »Versuchen Sie, eine Möglichkeit zu finden, mit der Mutter allein zu sein. Bringen Sie sie dazu, aus sich herauszugehen, wenn Sie können. Bringen Sie sie zum Reden. Zunächst über irgendwas. Ganz egal.«
    »Sie denken, sie weiß mehr, als sie sagt?«
    »Ich weiß es nicht. Eventuell nicht. Vielleicht unterdrückt sie nur ihren Kummer. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht steckt mehr dahinter.«
    Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich und Andrew Lawson stand da, angelockt vom Klang der Stimmen. Will hob eine Hand in seine Richtung und ging los, um an den draußen wartenden Reportern und Kameramännern vorbei Spießruten zu laufen.
    Munter drehte sich Anita Chandra um. »Soll ich uns allen einen Tee machen?«

51
     
    Ein junger Gärtner, der mit seinem iPod verkabelt war, schnitt die Hecke der Hendersons. Möglicherweise zum letzten Mal in diesem Herbst. Blätter lagen auf dem Rasen verstreut und warteten darauf, zusammengeharkt zu werden. Lyle Henderson, der offenbar der Hilfskraft nicht alle Arbeit überlassen wollte, topfte persönlich eine Pflanze mit einer strahlend orangefarbenen

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