Schrei Aus Der Ferne
sie ins Wasser schmeißen oder so was.«
»Sie packen sie und schwenken sie durch die Luft.«
»Solche Sachen, ja.«
»Kleine Balgereien.«
»Wenn Sie so wollen. Nur zum Spaß.« Er hielt inne, als fragte er sich, ob er zu viel gesagt habe.
»Beatrice mag Sie also?«, fragte Will.
»In gewisser Weise, ja. Würde ich sagen.«
»Sie vertraut Ihnen?«
»Ich denke schon. Ja. Bis zu einem bestimmten Grad.«
»Sie hat niemals irgendetwas gesagt, das man so auslegen könnte, als sei sie besonders unglücklich? Als denke sie daran, wegzulaufen?«
»Nein. Und wenn sie es getan hätte, hätte ich das inzwischen gesagt.«
»Auch nichts über Jungen? Dinge, die sie ihren Eltern vielleicht verschwiegen hat, die sie aber trotzdem jemandem anvertrauen wollte?«
Lyle schüttelte den Kopf. »So weit ist sie noch nicht. Aber irgendeinem armen Knaben wird sie das Herz brechen, das ist schon mal sicher.«
»Ich frage mich, wo Sie zu der Zeit waren, als sie verschwunden ist?«
»Wo ich war?«
»Ja.«
»Hören Sie …«
»Reine Routine. Wie gesagt, der Vollständigkeit halber.«
»Von welcher Zeit reden wir? Sechs Uhr, halb sieben? Da war ich noch im Golfclub. Drüben bei Shelford Bottom.«
»Um diese Zeit braucht man Flutlicht, hätte ich gedacht.«
»Es gibt Flutlicht an der Driving Range, klar, aber nein, ich war inzwischen in der Bar des Clubs. Hab Karten gespielt, wie ich gestehen muss. Als ich gegen halb neun, neun nach Hause kam, war Catriona schon bei den Lawsons und kümmerte sich um Ruth.«
»War jemand anders hier, als Sie zurückkamen?«
»Nein, natürlich nicht.« Er setzte sein Glas ab. »Es ist kein Verbrechen, wenn man sich mit den Kindern seiner Freunde beschäftigt, wissen Sie. Wenn man herumalbert und lacht. Kein Verbrechen.«
Will sah ihn ruhig an und wartete.
»Das sind nur Leute wie Sie, die eins daraus machen.«
»Leute wie ich?«
»Sie wissen, was ich meine. Jemand braucht ein Kind ja nur falsch anzusehen, nicht mal anzufassen, zum Spaß ein bisschen zu kämpfen oder irgendwas in der Art, einen ganz normalen, überhaupt nicht anstößigen Scherz zu machen, und Sie sperren ihn gleich ein und werfen den Schlüssel weg. Dieses ganze Tamtam, das heutzutage um Pädophilie veranstaltet wird. Wenn Sie ein Kind unter sechzehn zweimal ansehen, sind Sie schon ein verdammter Kinderschänder.«
»Beatrice Lawson«, sagte Will, »ist etliche Jahre jünger als sechzehn.«
»Okay«, sagte Lyle und kam rasch auf die Füße. »Das war’s. Ende des Gesprächs. Sie können gehen.«
»Bitte setzen Sie sich, Mr Henderson. Es gibt noch ein paar Sachen, die ich fragen möchte.«
»Alles, was Sie sonst noch zu sagen haben, können Sie in Gegenwart meines Anwalts vorbringen …«
»Es gibt einige Fotografien, von denen Andrew Lawson dachte, Sie könnten sie aufgenommen haben …«
»Schwachsinn! Es hat keine verdammten Fotografien gegeben. Nicht von mir. Ich hab ihm das gesagt, und wenn erIhnen was anderes erzählt hat, ist er noch weiter auf dem Holzweg, als ich gedacht habe. Jetzt verlassen Sie mein Haus und kommen Sie nicht wieder, und wenn auch nur ein einziges Wort von dem, was Sie mir unterstellt haben, in die Öffentlichkeit gelangt, verklage ich Sie und die ganze verdammte Polizei von Cambridgeshire so schnell, dass Sie Ihren Kopf nicht mehr von Ihrem Arsch unterscheiden können. Hauen Sie ab. Verschwinden Sie, verpissen Sie sich!«
»Lyle«, sagte Catriona, als sie die Tür öffnete. »Was ist das denn für ein Geschrei? Ich kann es ja bis in die Küche hören.«
»Der Detective Inspector will gerade gehen.«
»Ach so. Der Brombeerapfelkuchen ist gleich fertig, und ich wollte fragen, ob …«
Der wütende Blick ihres Mannes ließ sie erstarren.
»Danke für das Gespräch, Mr Henderson«, sagte Will. »Mrs Henderson. Ich komme wieder.«
»Du traust ihm das wirklich zu?«, fragte Helen.
Sie saßen im Hinterzimmer eines kleinen Pubs in der Nähe des Polizeireviers, nachdem Will sie auf dem Rückweg nach Cambridge angerufen hatte, um ein Treffen zu vereinbaren.
»Ich weiß es nicht. Da ist etwas, ich bin mir ganz sicher. Es war, als hätte ich auf einen Knopf gedrückt, als wir über ihn und Beatrice redeten. Plötzlich ist er total ausgeflippt. Eine völlige Überreaktion.«
»Außer …«
»Genau. Gar kein Zweifel, dass irgendwas einen wunden Punkt getroffen hat.«
»Wahrscheinlich Schuldgefühle. Nach dem, was du erzählt hast.«
»Du meinst, er könnte sie entführt
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