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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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um sich eine Zigarette anzuzünden.
    Als sie auch Cordon eine anbot, schüttelte er den Kopf. »Ist nicht mehr weit«, sagte er.
    Der Pub, lang gestreckt und niedrig, stand nahe an der Ufermauer; viele Autos parkten davor; hinter den Fenstern leuchtete es orange; Musik drang nach draußen.
    »Mögen Sie Jazz?«, fragte Cordon.
    »Nicht besonders.«
    »Diesen werden Sie mögen.«
    Sie folgte ihm durch die Tür. Am anderen Ende des schmalen Raumes konnte man durch die Menschenmenge hindurch gerade noch zwei Musiker erkennen   – Gitarre und Saxophon   – und das Stück, das sie spielten, klang soeben aus. Als es vorbei war, stand ein Paar an der Seitenwand auf und ging, und Cordon ergatterte die Plätze für sie.
    »Was möchten Sie trinken?«, fragte er und nickte in Richtung Bar.
    »Jetzt bin ich an der Reihe. Was nehmen Sie?«
    »Ich hätte gerne noch ein Pint.«
    Helen bestellte es und nach kurzem Nachdenken einen doppelten Whisky für sich selbst. Wer A sagt   …
    Das Duo spielte jetzt eine Ballade, eines dieser alten Lieder, die es schon ewig gab; der Ton des Saxophons war geschmeidig und warm.
    »Ihr Stammlokal?«, fragte Helen und sah sich um.
    »Mehr oder weniger.«
    Es hatte das übliche Kopfnicken in seine Richtung gegeben, als sie gekommen waren, auch die eine oder andere zur Begrüßung erhobene Hand.
    »Der Gitarrenspieler ist der Wirt«, sagte Cordon. »Der Typ mit dem Saxophon kommt aus London angereist. Regelmäßig. Gut, finden Sie nicht auch?«
    Helen hatte keinen Schimmer. Sie wusste nicht einmal, was für ein Saxophon es war. Tenor? Alt? Aber die Musik war wirklich gar nicht so schlecht.
    »Das letzte Mal, als er hier gespielt hat, war ich mit meinem Sohn da«, sagte Cordon. »Er war aus Australien zu Besuch.«
    »Lebt er dort?«
    »Inzwischen. Er war schon überall. Seine Mutter und ich haben uns getrennt, bevor er an die Universität ging, und seitdem ist er ziemlich viel herumgekommen. Südamerika, das südliche Afrika und jetzt Australien. Alles verdammt weit weg.«
    Als sie ihm weitere Fragen stellte, antwortete er nur zögernd, wechselte das Thema, sobald er konnte, und fragte sie nach Will und wie es war, mit ihm zu arbeiten.
    Das Stück endete und ein anderes begann.
    Cordon war an der Reihe, an die Bar zu gehen.
    Nach der letzten Nummer kam der Wirt zu ihnen herüber, boxte Cordon leicht auf die Schulter und schüttelte Helen die Hand.
    »Hier stimmt was nicht«, sagte der Wirt mit einem Zwinkern. »Sie sehen Lichtjahre zu gut für ihn aus.«
    Während Cordon ein paar Worte mit dem Saxophonspieler wechselte, trat Helen nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen. Als sie aufsah, war der Himmel mit Sternen übersät.
    »Normalerweise gibt es ein Taxi auf der anderen Seite derBrücke«, sagte Cordon, als er herauskam. »Das bringt Sie zurück ins Hotel.« Das Licht, das durch die geöffnete Tür herausfiel, schmeichelte den Konturen seines Gesichts.
    »Wie sieht es vorher mit einem Kaffee aus?«, sagte Helen. »Glauben Sie, das kriegen Sie hin?«
    Der Hund begrüßte sie an der Tür und wackelte kräftig mit dem Schwanz, als er den Kopf zu Cordons Hand hob.
    »Ich stelle den Kaffee auf«, sagte er, »dann gehe ich kurz mit ihr um den Block.«
    »Zeigen Sie mir, wo alles ist«, sagte Helen. »Ich schaffe das bestimmt.«
    Sie sah sich im Inneren der Wohnung um, während er fort war: die CDs in alphabetischer Ordnung neben der Stereoanlage; ein kleiner Stapel Taschenbücher auf dem Boden neben einem der Sessel; ein paar zusammengelegte Kleidungsstücke am Fußende des ordentlich gemachten Bettes; einige gerahmte Fotografien an der Wand; ein einzelner Teller und eine Schale auf dem Abtropfbrett. Was zum Teufel tue ich hier?, fragte sich Helen. Der Kaffee war gerade fertig, als Cordon und der Hund zurückkamen.
    »Sie sind ziemlich ordentlich für einen Mann, der allein lebt.«
    »Bei einer so kleinen Wohnung geht es kaum anders.« Er füllte frisches Wasser in den Trinknapf für den Hund.
    »Wie gefällt es Ihnen? Allein zu leben?«
    »Man gewöhnt sich daran. Nehmen Sie Milch?«
    »Hm.«
    »Zucker?«
    »Ein Stück.«
    »Wie ist es mit Ihnen? Leben Sie mit jemandem zusammen?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Wie kommt das?«
    »Mein letzter Versuch endete in einer Katastrophe. Nach sechs Monaten mit mir hat er sich nach Kanada verzogen.« Sie lachte. »Wir sind uns ähnlich, Sie und ich, wer uns zu nahe kommt, flieht ans Ende der Welt.«
    Mit gewissen Schwierigkeiten zerrte Cordon den

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