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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Hund vom Sofa, damit sie sich beide setzen konnten.
    »Aber Sie haben bestimmt eine Beziehung«, sagte er.
    »Ach, wirklich?«
    »Stelle ich mir vor.«
    Helen grinste. »Auch eine Katastrophe! Männer   – diejenigen, die zu haben sind, die einem gefallen würden   – sind entweder schwul oder verheiratet oder suchen jemanden für nebenbei.«
    »Wie Ihr DI?«
    »Will?«
    »So, wie Sie über ihn gesprochen haben, dachte ich   …«
    »Will ist so verheiratet, dass es ihm in Fleisch und Blut übergegangen ist. Schade, manchmal jedenfalls, aber so ist es. Und dann, bei der Arbeit rummachen   … eine Katastrophe, wie schon gesagt.«
    Cordon lächelte. »Es gab mal eine junge Polizistin, die inzwischen befördert worden ist. Dyer. Ann Dyer. Jung, aber ehrgeizig. Selbstsicher. Es war ganz klar, dass sie auf dem Weg nach oben war. Jedenfalls sagte sie   … mehrmals nach der Arbeit, wenn wir Feierabend machten   … fragte sie, warum gehen wir nicht etwas trinken? Ich habe immer eine Entschuldigung gefunden. Ich weiß eigentlich nicht, warum, aber so war’s. Aber sie fragte immer wieder, und schließlich habe ich ja gesagt, und es ließ sich gut an, wir haben uns gut verstanden, und als wir gingen, habe ich sie gefragt, ob sie, Sie wissen schon, ob sie noch mit zu mir käme, und sie hat gelacht. Hat mir ins Gesicht gelacht. ›Etwas trinken, mein Lieber‹, sagte sie, ›heißt genau das, sonst nichts.‹«
    »Und ich soll Sie deswegen bedauern, vermute ich mal?«
    »Überhaupt nicht.«
    Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf den Mund.
    »Wofür ist das?«, fragte er überrascht.
    »Keine Angst, ich mache nicht in Mitgefühl. Ich wollte das schon draußen vor dem Pub tun, ich wollte Sie nur nicht vor Ihren Freunden in Verlegenheit bringen.«
    Er grinste. »Ich wünschte, Sie hätten es getan. Davon hätte ich noch Monate gezehrt.«
    »Erzähl ihnen von diesem hier.« Dieses Mal küsste sie ihn heftiger, küsste ihn so lange, bis er sie auch küsste. Sie legte ihre Arme um ihn, er legte seine um sie, dann rutschten sie ungeschickt zur Seite und er musste eine Hand auf den Boden strecken, damit nicht einer von ihnen ganz vom Sofa purzelte.
    Ein paar Momente später löste er sich von ihr.
    »Was ist los?«
    »Ich weiß nicht. Ich   …«
    »Pass auf, ich will nur einen netten unkomplizierten Fick, okay?«
    Er zögerte nur kurz. »Okay.«
    Der Hund trottete ans Ende des Zimmers, legte sich dort auf den Boden und sah in die andere Richtung.

63
     
    Sie waren früh am Bahnhof, der Zug stand schon am Bahnsteig, aber Helen blieb direkt vor dem Eingang stehen, wo sie eine letzte Zigarette rauchte und dazu einen Kaffee aus dem Bahnhofsimbiss trank. Cordon war vor ihr wach gewesen; er war aufgestanden und von einer Runde mit dem Hund zurückgekehrt, bevor sie es überhaupt in die Dusche geschafft hatte. Dann Kaffee und Toast und eine CD.   Sie hatte ihn gebeten, die Musik leiser zu stellen oder abzuschalten, und er hatte sich für die zweite Möglichkeit entschieden.
    »Die Macht der Gewohnheit. Entweder Musik oder die verdammten Nachrichten. Und meistens sind sie so schrecklich, dass man sie nicht hören will.«
    Sie hatte eine der Fotografien angesehen: Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und sonnengebleichtem Haar hielt ein Surfbrett hoch über den Kopf und lächelte in die Kamera.
    »Dein Sohn?«
    »Ja.«
    »Sieht gut aus. Das sind eindeutig die Gene seiner Mutter.«
    »Du kannst mich mal!«
    »Du hast ihn nie in Australien besucht?«
    Cordon schüttelte den Kopf.
    »Das solltest du vielleicht tun.«
    Der Hund war mit ihnen gekommen, lümmelte jetzt vor dem Bahnsteig herum und brach hin und wieder aus, um Möwen vom Eingang des Bahnhofs zu verscheuchen.
    »Ich sollte jetzt gehen«, sagte Helen, ließ den Stummel ihrer Zigarette in den Becher fallen und verschloss ihn mit dem Deckel.
    Cordon nahm ihn ihr aus der Hand und warf ihn in den nächsten Mülleimer. »Wenn du irgendetwas aus Efford rausbekommst   …«
    »Lass ich dich das wissen.«
    »Ansonsten   …«
    »Wenn die Ergebnisse aus dem Labor kommen, meldest du dich?«
    »Sofort.«
    Sie nahm seinen Arm und küsste ihn schnell auf die Wange. »Die enge Kooperation zwischen den Polizeikräften verschiedener Landesteile sollte gefördert werden.«
    »So heißt es.«
    Auf halbem Weg den Bahnsteig hinunter drehte sie sich um, um zu winken, aber Cordon und der Hund waren schon weg.
     
    Archway war ein Teil von Nordlondon, den Helen nicht kannte.

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