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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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nicht. Ich seh ihn nicht so oft, das is’ alles. Er und Everett   …« Sie schüttelte den Kopf. »Is’ egal. So isses eben. Er hat sein Leben, ich hab meins.«
    Sie brachte Helen an die Tür. »Verlaufen Sie sich nicht. Wissen Sie, wo Sie hinmüssen?« Für alle Fälle beschrieb sie ihr den Weg. »Gehen Sie bis zur Camden Road. Dann ein Bus Richtung Holloway. Steigen Sie in Nag’s Head aus und gehen Sie nach links. Am Odeon vorbei. Sie können’s gar nicht verpassen. Is’n Klacks.«
    Sie lachte kurz und Helen lächelte und dankte ihr noch einmal. Dieses Mal nahm Helen die Treppe. Also sind esnicht nur Will und Lorraine, dachte sie, die glücklich mit sich und ihren Kindern sind. Manche Leute, vermutete sie, nahmen einfach die Karten, die das Leben ihnen austeilte, und machten das Beste daraus. Irgendwie gab ihr der Gedanke ein gutes Gefühl.
    Sie hatte keine Schwierigkeiten, den Weg zum Kino zu finden, und da war auch schon das Farbengeschäft. Die Verkäufer trugen alle braune Kittel, und sie glaubte zu wissen, wer von ihnen Lee Efford war, fragte aber trotzdem, um sicherzugehen. Nicht so groß wie sein Vater, kurzes Stoppelhaar, ein Tattoo seitlich am Hals, braune Augen.
    »Ja?«, sagte er, als Helen auf ihn zutrat, und sah ihr nicht direkt in die Augen. »Kann ich helfen?«
    »Lee? Ich komme gerade von Ihrer Schwester.«
    »Und?«
    »Könnten wir uns vielleicht kurz unterhalten?«
    Jetzt sah er sie an. »Polizei, was? Was is’ denn jetzt schon wieder?«
    »Haben Sie vielleicht demnächst Pause? Ich will keinen Aufstand machen.«
    Widerwillig sah er auf seine Uhr. »In ’ner halben, dreiviertel Stunde. Wir treffen uns im Park, gleich um die Ecke. Direkt hinter dem Laden.«
    Helen kaufte eine Zeitung, Pfefferminzbonbons und eine Schachtel Zigaretten. Ein paar Jungen, die offensichtlich die Schule schwänzten, übten auf einem überdachten Fußballplatz Elfmeterschießen. Direkt davor stand eine Bank. Helen setzte sich und schlug die Zeitung auf. Unten auf Seite sieben stand eine Notiz über Beatrice Lawsons Verschwinden. Ein Mann, der die Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützt hatte, war auf freien Fuß gesetzt worden. Die Polizei wollte weder bestätigen noch ausschließen, dass eine verwandtschaftliche Beziehung zu dem vermissten Mädchen bestand.Noch immer suchte man den Halter eines grünen Vauxhall Corsa, der an der Stelle beobachtet worden war, wo Beatrice zuletzt gesehen wurde. Das war alles.
    Vierzig Minuten später war sie überzeugt davon, dass Lee abgehauen war, was an sich sehr interessant war. Aber plötzlich tauchte er auf, widerwillig kam er auf sie zu, den Mantelkragen hochgeschlagen.
    Als sie ihm eine Zigarette anbot, lehnte er zunächst ab, änderte aber seine Meinung, als er sah, dass sie selbst auch rauchte.
    »Worum geht’s denn eigentlich?«
    »Was glauben Sie?«
    »Doch nicht um die Sache mit dem Auto?«
    »Was ist das für eine Sache?«
    Einer von Lees Freunden hatte ein Auto gestohlen, und die beiden hatten eine Spritztour gemacht, was prima lief, bis der Freund die Kontrolle über den Wagen verlor, als er um zwei Uhr morgens das Wenden mit der Handbremse ausprobierte.
    Die Polizei erwischte Lee und seinen Freund, als sie wegliefen. Beide wurden festgenommen und gegen Kaution freigelassen. Der Freund bekam eine Bewährungsstrafe, Lee eine Verwarnung.
    Helen ließ Lee reden und hörte zu. »Darum geht es nicht«, sagte sie.
    Lee schnippte den Stummel seiner Zigarette mitten auf den Weg und sah zu, wie sie verglomm.
    »Kelly«, sagte er. »Die meint, ich denk überhaupt nicht mehr an das, was passiert ist. Nur weil ich nicht stundenlang darüber quatsche wie sie und mein Dad. So isses nämlich immer, wenn sie zusammen sind. Einer von beiden muss damit anfangen. Heather. Die arme Heather. Als ob mir das egal is’. Und jetzt is’ da das andere Mädchen, das verschwundenis’. Hab’s im Fernsehen gesehn. Ihre Mum, das is’ doch dieselbe, oder?«
    »Ruth, ja.«
    »Die Arme. Und keiner hat das Mädchen gefunden, richtig?«
    »Noch nicht.«
    »Wissen Sie was?« Lee lehnte sich mit dem Rücken an die Bank. »Die Typen, die solche Sachen machen, die würd ich kastrieren. Entweder das oder steinigen wie in Afghanistan oder wo das ist. Die werden aufgestellt und die Leute werfen Steine auf sie drauf, bis sie tot sind. Das war’s dann.«
    Helen sah zwei junge Frauen   – Mädchen   – vorbeikommen. Sie schoben Buggys, redeten, hatten anscheinend keinerlei Sorgen.
    »Sie sind sie

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