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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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suchen gegangen an dem Tag?«
    »Heather? Ja.«
    »Sie und Ihr Vater.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht war er auch da, ich weiß nicht. Hab ihn nicht gesehen. Ich konnte rein gar nix erkennen.«
    »Sie haben es versucht.«
    Abrupt wandte er sich ab. »Hat aber ’n Scheiß genützt. Hat ihr ’n Scheiß genützt.«
    Fünf Minuten später lief Helen durch den Park und zur Tufnell Park Road, um die U-Bahn nach King’s Cross und dann den Zug zu nehmen. Wusste sie jetzt mehr? Cordon hatte dafür gesorgt, dass die Berichte und Aufnahmen aufbewahrt wurden. Wusste sie jetzt etwas, das sie nicht gelesen oder gehört hatte? Sie war sich nicht sicher.
    Nach Cambridge zurückgekehrt, überprüfte sie die E-Mails auf ihrem Computer und erledigte so weit wie möglich die Sachen, die auf ihrem Schreibtisch lagen. Will war im Norden der Grafschaft, wie Ellie Chapin ihr mitteilte; an der Schule seines Sohnes hatte es einen Zwischenfall gegeben,Ellie wusste nichts Genaues, aber sie glaubte, dass niemand zu Schaden gekommen sei. Helen rief sein Handy an und bekam keine Antwort; sie wusste nicht, ob sie Cordon etwas Nützliches zu erzählen hatte, aber sie rief ihn trotzdem an und sie redeten kurz.
Sie versuchte es bei Will zu Hause, aber niemand nahm ab. Zeit, dass sie selbst nach Hause ging.
    Als sie dort ankam, sah sie Declan Morrison. Er lehnte an der Wand und in der Hand hielt er eine Flasche Scotch, aus der er anscheinend schon reichlich getrunken hatte.
    »Friedensangebot«, sagte er und wedelte mit der Flasche vor ihrem Gesicht herum.
    Wenn es etwas gab, das Helen nicht wollte, so war es das hier. »Geh nach Hause, Declan.«
    »Hab auf dich gewartet«, sagte er und strahlte sie mit seinem schiefen Lächeln an. »Stundenlang.«
    »Geh nach Hause.«
    Sie ging um ihn herum und steckte den Schlüssel ins Schloss.
    »Wassis’n los?«
    »Nichts. Ich bin müde. Geh jetzt nach Hause zu deiner Frau und den Kindern.«
    »Lass mich für’n Moment rein. Nur für’n klein’ Schluck.«
    »Du hast genug getrunken.«
    Sie kannte ihn aus Erfahrung, diesen Moment, wenn sich sein Ausdruck änderte, wenn sich das Gesicht verspannte und er die Fäuste ballte und seine halb betrunkene gute Laune in eine Wut umschlug, die genauso unberechenbar wie brutal war. Mit einer schnellen Bewegung schlug Helen ihm die Flasche aus der Hand, und als sie zerbrach, schob sie schnell die Tür auf und sprang hinein. Sie knallte die Tür zu, drehte den Schlüssel um, legte den Riegel vor und griff nach ihrem Telefon. Während Morrison mit den Fäusten andie hölzerne Tür hämmerte, rief sie den Notruf an, nannte ihren Namen und ihre Adresse und machte deutlich, dass es dringend war.
    Auf dem Weg ins Badezimmer zog sie ihre Sachen aus, dann stellte sie die Dusche an. Der erste Klang der Polizeisirene verlor sich im Rauschen des Wassers, als sie ihr Gesicht in den Strahl hielt.

67
     
    »Warum macht er das?«, sagte Lorraine.
    »Um zu zeigen, dass er es kann.«
    »Aber warum?« Sie saßen immer noch am Küchentisch, das Geschirr war abgeräumt, sie hatten sich Wein nachgegossen, die Kinder waren oben und schliefen längst, besonders Jake, der erschöpft von Ereignissen war, die er nicht einmal ansatzweise verstand.
    »Er ist davon überzeugt, dass ich darauf aus bin, ihn zu schnappen. Eine Art persönlicher Vendetta.«
    »Und er glaubt, das wird dich davon abhalten?«
    »Vielleicht. Wer weiß?«
    »Aber du bist nicht der Einzige, das muss er doch wissen. Die gesamte Polizei ist hinter ihm her. Auch wenn er dir oder uns etwas antut   …« Lorraine legte den Kopf in die Hände. »Es ergibt gar keinen Sinn.«
    »Leute wie Roberts ergeben keinen Sinn. Außer für sich selbst. Höchstens noch für einen Psychiater.«
    Er trank einen Schluck Wein. Er hätte Helens Anruf entgegennehmen sollen, das wusste er, aber das konnte warten. Würde warten müssen. Bis morgen. Bis dahin sollte er auch eine Rückmeldung von Duncan Strand haben. Spätestens bis Mittag.
    »Ich mag nichts mehr«, sagte Lorraine und klopfte auf den Rand ihres Glases.
    »Gib her.« Will hielt ihr sein eigenes Glas hin und sie kippte ihren Wein hinein.
    Sie stand neben ihm an der Spüle und legte ihren Kopf anseine Schulter, den Arm um seine Taille. »Wenn irgendwas passiert wäre   …«
    »Pst!«
    »Aber wenn   …«
    »Du bleibst am besten morgen mit den Kindern zu Hause, mit beiden. Bis das hier vorbei ist. Wenn du es genau erklärst, werden sie es im College auch verstehen.«
    Lorraine nickte.

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