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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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sehr lange her, als sie noch zur Schule ging. Terry, ja. Terry Markham. Er war ganz verrückt nach ihr, wenn ich mich recht entsinne.«

27
     
    Beatrice hatte am nächsten Tag schulfrei   – ein Studientag für die Lehrer   – und auch Ruth hatte sich freinehmen können. »Wir machen einen Ausflug mit dem Auto. Vielleicht ein Picknick?«
    »Mum! Muss das sein?«
    »Du magst doch Picknicks.«
    »Ja, aber du weißt doch   …«
    »Was weiß ich?«
    »Cambridge, Shopping   – du hast es versprochen!«
    »Ich glaube nicht. Was willst du überhaupt kaufen?«
    »Ein neues Top, weißt du nicht mehr?«
    »Ach, Beatrice, das können wir doch immer noch besorgen.«
    »Ja, aber wir machen’s nie. Das sagst du immer: Jederzeit, jederzeit, und dann gehen wir nicht.«
    Ruth seufzte. »In Ordnung, nächstes Wochenende. Ganz bestimmt.«
    Beatrices Gesichtsausdruck verriet Unglauben.
    »Ich möchte nur nicht einen ganzen Tag damit verschwenden, durch Läden zu laufen, das ist alles.«
    »Okay, okay.« Beatrice seufzte und steckte den Kopf wieder in ihr Buch.
    Ruth schloss das Bügeleisen an, nahm eines von Andrews Hemden vom Wäschehaufen, schüttelte es aus und strich dann eine der Seiten mit der Hand auf dem Bügelbrett glatt. Als sie jung verheiratet waren, hatte Andrew sich damit gebrüstet, dass er seine Sachen selbst bügelte, und von Zeit zu Zeit erwähnte er diesen Umstand bei Freunden, als verhieltees sich immer noch so. Einmal jedoch hatte Ruth eine Anleihe bei einer Inszenierung von ›Hamlet‹ gemacht, zu der Catriona sie geschleppt hatte, und klargestellt, dass es inzwischen ein Brauch war, der weniger durch Befolgen als durch Brechen geehrt wurde.
    »Gesprochen wie eine echte Bibliothekarin«, hatte Andrew lächelnd erwidert. »Das passende Zitat für jede Gelegenheit.«
    Aber er hatte zugegeben, dass es stimmte. Und in Wirklichkeit machte es Ruth gar nichts aus. Eigentlich bügelte sie gern: eine dieser banalen Aufgaben, die nicht allzu viel Konzentration erforderten, sodass sie ihren Gedanken nachhängen konnte.
    »Dieses Picknick«, meldete sich Beatrice zu Wort, da sie gerade ein Kapitel zu Ende gelesen hatte. »Wo fahren wir überhaupt hin?«
    »Ach, ich weiß nicht. Sollen wir es darauf ankommen lassen? Sehen, wohin es uns verschlägt?«
    »Ist mir egal.«
    Eine glatte Abfuhr. Ruth machte sich wieder an die Arbeit. Von Ely aus die A14 und dann die A12, und wenn es nicht zu viel Verkehr gab, könnten sie in zweieinhalb Stunden in Aldeburgh sein.
     
    Ein blasser Himmel und treibende Wolken begrüßten sie beim Aufwachen, es wehte ein Wind und deshalb war die Luft frisch und es gab Hoffnung auf echten Sonnenschein im Laufe des Tages. Ruth stand früh auf und wuselte herum: Sandwiches, eine Thermosflasche für die Fahrt, Wasserflaschen, Kamera, Fernglas, Sonnenschutz.
    »Ganz schön optimistisch«, sagte Andrew, als er die Flasche Feuchtigkeitssonnenmilch, Lichtschutzfaktor 20, sah. »Aber ich hoffe, ihr beide habt einen schönen Tag. Denkt anmich, wie ich über meinem aufmüpfigen Kollegium die Peitsche knallen lasse, während ihr Steine übers Wasser hüpfen lasst oder so etwas.«
    Ruth hob ihr Gesicht, um einen Kuss in Empfang zu nehmen.
    »Beatrice«, rief Andrew, »bis später, Schatz.«
    »Bye, Dad.«
    Dreißig Minuten später waren sie unterwegs. Ruth hörte beim Fahren Radio 4, wo lebhaft Probleme der Menopause erörtert wurden, Beatrice hatte sich mit ihrem iPod Shuffle auf dem Rücksitz ausgestreckt.
    Das Wetter schien sich zu bessern, je näher sie der Küste kamen, und als Ruth den Wagen geparkt hatte, stand kaum eine Wolke am Himmel.
    »Siehst du«, sagte Ruth und blickte nach oben. »Was habe ich dir gesagt?«
    Beatrice bedachte sie mit einem dieser Ist-mir-doch-egal-Blicke, die sie inzwischen zur Perfektion gebracht hatte, aber schon ein paar Minuten später hatte sie die Hand ihrer Mutter genommen und plapperte drauflos. Erzählte etwas, das zum Brüllen komisch, aber für Ruth ziemlich unverständlich war, etwas, das ihre Freunde in der Schule angestellt hatten.
    »Ich würde gerne eine Tasse Kaffee trinken«, sagte Ruth und blieb vor einem der Cafés auf der Hauptstraße stehen.
    »Ich dachte, du hättest eine Thermosflasche mitgenommen?«
    »Nur für den Notfall.«
    Sie fanden einen Platz am Fenster, wo sie hinaussehen und die Passanten hinter der gestreiften Markise beobachten konnten, offenbar in der Hauptsache Ausflügler wie sie selbst. Ruth gönnte sich einen Cappuccino und ein

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