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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Kind?«
    Barbara Connors blickte auf etwas draußen im Garten, sehr konzentriert. »Ich hatte den Eindruck   – ich kann mich irren   –, aber ich hatte den Eindruck, dass Paul   – ich meine, er war immer sehr liebevoll   –, aber ich glaube, was er vor allem wollte, war Zärtlichkeit. Ein Kuss und etwas Zärtlichkeit, das war genug.« Sie räusperte sich. »Und wer könnte behaupten, dass das nicht in Ordnung ist?«
    »Nein«, sagte Helen leise. »Niemand.«
    »Diese Katze von nebenan«, sagte Barbara Connors, »kommt ständig in unseren Garten und macht ihr Geschäft in den Begonien.«
     
    Helen saß im Auto, ließ das Fenster ein Stück herunter und zündete sich eine Zigarette an. Sie und Declan hatten es am Abend vorher getrieben. Declan hatte schon mehrere Pints intus gehabt, als er ankam, und Helen hatte gerade eine Flasche Wein aufgemacht. Sie hatte mit ihm geflirtet. Wohl wissend, dass sie im Bett landen würden, hatte sie ihn hingehalten und den Moment hinausgeschoben. Sie hatte ihn geküsst und sich dann losgerissen, hatte auf der anderen Seite des Tisches auf kokett gemacht, sich einen Augenblick unter der Seide ihres knappen Tops berührt und dann die Zunge rausgestreckt.
    Declan hatte sie gepackt und über den Tisch gezerrt, dannhart an die Wand gedrückt und seine Hand von hinten zwischen ihren Beinen hochgeschoben.
    »Du spielst Spielchen, was?« Er hatte gelacht. »Ich weiß, was du magst. Spielchen spielen.«
    Als sie jetzt im Wagen saß, erinnerte sie sich mit einem kurzen Nachbeben an den gewaltigen Orgasmus, den sie gehabt hatte.
    Überwältigt.
    Außer Kontrolle.
    War es das, was sie inzwischen brauchte? Musste es auf diese Weise ablaufen? Sie ließ das Fenster noch weiter herunter und warf ihre halb gerauchte Zigarette hinaus. Einen Augenblick später zündete sie sich eine neue an.
Ein Kuss und etwas Zärtlichkeit, das war genug
. Sie drehte den Zündschlüssel um und legte den Gang ein.

26
     
    »Ich glaube, sie hatte eine Affäre«, sagte Helen. »Ich bin mir sicher.«
    »Sicher?«
    »Ziemlich sicher.«
    Sie waren auf einem Rastplatz an der A10 von Ely nach Cambridge und lehnten sich an Wills Wagen. Es war später Nachmittag, und die Sonne schien schon weniger kräftig. Helens VW parkte direkt hinter Wills Astra. Will aß ein Brötchen mit krossem Speck aus dem Van, der ständig am Rand des Rastplatzes parkte, und ein Styroporbecher mit etwas fragwürdigem Kaffee stand auf dem Autodach. Helen trank Tee und rauchte ihre zweite Zigarette.
    »
Ein Kuss und etwas Zärtlichkeit
«, sagte Helen, »
das war genug
. All diese Jahre. Ich glaube das nicht.«
    »Nicht alle sind gleich«, sagte Will.
    »Das soll heißen?«
    »Das soll heißen: Nicht alle sind gleich.«
    Helen trank einen Schluck Tee, schnitt ein Gesicht und kippte den Rest auf den Boden.
    »Angenommen, du hast recht«, sagte Will. »Wir haben keine Beweise.«
    »Ich weiß.«
    Paul und Linda Careys Haus war von oben bis unten durchsucht worden: Sie hatten Kalender und Teile der Korrespondenz mitgenommen sowie zwei Laptops und die beiden Mobiltelefone. Bislang war nichts Verdächtiges gefunden worden. Freunde, Kollegen und Bekannte waren vernommen worden. Nichts.
Nada
. Wenn Linda Careywirklich eine Affäre gehabt hatte, dann hatte sie sich die allergrößte Mühe gegeben, die Sache geheim zu halten.
    »Wie kommt es«, sagte Will, »dass wir einen feuchten Kehricht herausgefunden haben und ihr Mann ihr wahrscheinlich auf die Schliche gekommen ist?«
    »Vielleicht hat sie es ihm erzählt«, sagte Helen.
    »Nachdem sie sich so angestrengt hatte, es geheim zu halten? Warum sollte sie das tun?«
    »Sie wollte ihn verlassen, vermute ich.«
    »Und das hätte genügt?«
    »Glaubst du nicht?«
    Will nickte. Es gab solche Fälle, das war ihm klar. Eifersüchtige, besitzergreifende Männer. Normalerweise waren es Männer. Wenn du mich verlässt, bringe ich dich um. Wenn ich dich nicht haben kann, bekommt dich auch kein anderer. Wenn du versuchst, mir die Kinder wegzunehmen, bringe ich sie um und dich auch. Männer, die die Kinder ins Auto steckten und über den Klippenrand fuhren. Das passierte. Nur zu oft. Zumindest war in diesem Fall das Kind noch am Leben. Will nahm den letzten Bissen von seinem Brötchen, knüllte das Einwickelpapier zusammen und warf es mit dem leeren Kaffeebecher in einen Mülleimer. Mutmaßungen waren eine Sache, Beweise eine andere. Noch hatten sie keine gefunden. Aber wenn es welche gab, würden sie darauf

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