Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
ihresgleichen sucht, erkennen sogar Konkurrenten an. Bei der Frage jedoch, ob dieses Wachstumswunder auf Dauer attraktive Gewinne erzielen kann, ist es mit der Einigkeit vorbei: Über diese Frage tobt der Meinungskrieg zwischen Handelsexperten in den Büros der Verwaltungsgebäude der etablierten Konsumbranche ebenso wie zwischen den Start-up-Nerds in den Internetforen. Die einen halten Zalando für eine riskante Internetwette ohne reale Basis, die anderen für eine der genialsten Firmengründungen der vergangenen Jahre.
Setzt sich also die von den Gründern Robert Gentz und David Schneider sowie den Investoren um die geheimnisvollen Samwer-Brüder verbreitete Version durch, nach der das Unternehmen jetzt auf Teufel komm raus investieren muss, um vor seinen Konkurrenten auf jenen Märkten zu sein, in denen in den kommenden Jahren mutmaßlich das große Geld verdient wird? Sind die Verluste von heute tatsächlich die Gewinne von morgen? Oder pumpen die Investoren das Unternehmen nur mit ihren Marketing-Millionen auf, damit sie beim Ausstieg – etwa über einen Börsengang – das Mehrfache davon zurückbekommen? Wobei sie in Kauf nehmen, dass das Unternehmen anschließend in sich zusammenfällt?
Ist Zalando also einer der großen lukrativen Fashionanbieter zumindest des kommenden Jahrzehnts oder lediglich ein Schneeballsystem, an dem lediglich jene Millionäre und Milliardäre verdienen können, die als erste investiert haben? Diese Frage, die »Zalando-Frage« sozusagen, ist 2013 noch längst nicht beantwortet. Genau das macht die Beobachtung dieses ungewöhnlichen Unternehmens umso spannender.
Je weiter meine Gesprächspartner von Zalando entfernt waren, desto skeptischer äußerten sie sich zur Chance, dass das Unternehmen jemals in die Gewinnzone kommen kann. Aber je näher sich die Informanten am Onlinehändler, seinen Managern und seinem Geschäftsmodell befanden – etwa als Geschäftspartner –, desto sicherer waren sie, dass Zalando auf Dauer ein Erfolg wird.
Dieses Buch versucht, so objektiv wie möglich zu beleuchten, was da gerade passiert in unserer Einkaufswelt. Denn an einer solchen Objektivität fehlt es bisweilen im Umgang mit diesem emotionalen Thema. Dass dem Strukturwandel im Schuh- und Modehandel, den neben Zalando viele andere junge Unternehmen betreiben, traditionelle Händler zum Opfer fallen, ist nun mal ein wesentliches Element unserer Marktwirtschaft. Und kein Grund, die neuen Händler zu verdammen. Die Zeit der Tante-Emma-Läden war auch irgendwann vorbei. An ihrer Stelle eroberten Selbstbedienungsgeschäfte den Markt, weil sie den Kunden Vorteile versprachen. Ähnlich ist es jetzt beim Siegeszug der Onlinehändler. Nur geht alles noch viel schneller, wie auch der Autor beim Schreiben dieses Buches feststellen musste: Mehrfach waren Passagen zu aktualisieren, weil die Entwicklung im Markt und vor allem bei Zalando so rasant voranschritt. Dass sich das auch nach der Drucklegung des Buches fortsetzt, ist sehr wahrscheinlich.
Die Skepsis dem Unternehmen Zalando gegenüber, die bisweilen in Häme umschlägt, zeigt, dass Deutschland noch längst nicht die Gründermentalität hat, wie sie etwa in den Vereinigten Staaten vorherrscht und wie wir sie auch hier gut gebrauchen könnten. Zumindest ein wenig davon. Während in den USA derjenige, der etwas Neues versucht, zunächst mit Applaus und einem gewissen Vertrauensvorschuss bedacht wird, erklären in Deutschland viele, warum etwas nie Dagewesenes auf keinen Fall funktionieren kann. Auch in Zukunft nicht.
Die vielen Gründer der Generation unter 30 Jahren oder knapp darüber in Deutschland hätten es stattdessen verdient, von der Gesellschaft stärker angefeuert und unterstützt zu werden: Sie schaffen Unternehmen und Arbeitsplätze und zahlen – jedenfalls diejenigen, die profitabel werden – irgendwann auch Steuern. Dass viele so weit niemals kommen werden und ihre Firmen wieder schließen müssen, ist kein Grund, die aktuelle Gründerwelle in Deutschland – und insbesondere in Berlin – nicht trotzdem zu begrüßen. Einige, vielleicht sogar viele dieser erwachsen werdenden Start-ups werden überleben und zu den wichtigen Unternehmen der kommenden Jahre gehören. Es spricht einiges dafür, dass Zalando dabei sein kann.
Doch selbst wenn nicht, so hat doch dieses Unternehmen schon jetzt viel für die Akzeptanz des Onlinehandels in Deutschland getan. Und auch für die Mentalität, jeden Tag zunächst die Chance zu sehen und nicht in
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