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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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es – im Team und mit allen aufzubietenden Ressourcen – durch das führen, was –«
    »Entschuldigung«, sagte Ms Vang. »Wo ist überhaupt das Kind?«
    Blinzelnd sah ich sie an. »Meadow? Die ist hier irgendwo.«
    »Denn ich bin ja hier, um Sie beide zu beobachten. Zusammen. Sie wissen schon, beim Spielen und so was. Sie beide zusammen.«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich bin keine Jury, Mr Kennedy.«
    »Nein, nein, das sind Sie nicht.«
    »Und an irgendwelchen Elternschaftstheorien hab ich überhaupt kein Interesse . «
    »Nein, natürlich nicht.«
    Ich drehte mich um und sichtete verzweifelt den Spielplatz auf der Suche nach Meadow.
    »Und zurzeit, wo die Scheidungsrate in den Vereinigten Staaten bei ungefähr fünfzig Prozent liegt«, fuhr sie fort und nahm Fahrt auf, »höher als in jeder anderen Industrienation, wird bei mir nicht lange gefackelt. Und was ich bei diesen Sorgerechtsgeschichten sehe, sind meist Leute, die sich viel zu viele Gedanken machen. Leute, die ganz leicht ihre Differenzen auf die Reihe kriegen könnten, wenn sie den Kopf nicht voller Ideen hätten. Leute, die lieber recht haben, als dass sie glücklich sind.«
    Inzwischen leicht panisch, stand ich auf, und die Frau tat es mir nach. Meadow war nirgends zu sehen. Sie war weder auf dem Klettergerüst noch auf dem Kletterfelsen, noch auf der Schaukel. Eine Horde junger Männer mit nacktem Oberkörper, die Saint-Rose-Geländelaufmannschaft, rannte über den Spielplatz.
    »Ach du Schande«, sagte ich und ging schnellen Schrittes bergab und auf den Brunnen zu, wo ich Meadow garantiert bei den Hunden finden würde. »Tut mir leid, dass Sie meinetwegen so viel laufen müssen.«
    Wie zu erwarten, hielt sich Ms Vang mit Beschwichtigungen zurück.
    »Meadow rennt ständig davon. Fragen Sie nur mal ihre Mutter. Ständig streichelt sie Hunde. Bewundert irgendwelche Fahrräder.«
    »Sie sollten besser aufpassen«, grummelte die Frau und hoppelte neben mir her. »Was man Kindern schon alles angetan hat, Sie würden Alpträume kriegen.«
    »Und, wie sind Sie zu Ihrem Job gekommen?«, fragte ich.
    »Ich war erst im Polizeidienst.«
    »Aha.«
    »Und dann hab ich das Fischrestaurant meines Vaters geführt, aber dann ist er gestorben.«
    »Ach so.«
    »Also hab ich das Beste draus gemacht. Bin zurück auf die Uni. Hab meine Berufung gefunden.«
    Ein paar Hunde hatten ihre Nasen im Brunnen, und die Besitzer schlenderten in der Nähe umher. Von Meadow keine Spur. Schließlich schoss ich meine ganze aufgesetzte Beherrschung in den Wind, legte die Hände um den Mund und rief ihren Namen. Die Leute starrten mich an. Ein Parkwächter beim Rosenbeschneiden griff nach seinem Walkie-Talkie. Die Barbarin, die mein Schicksal in Händen hielt, pflanzte sich mit den Hinterbacken auf den Granitbrunnen – den irgendein Magnat zu Ehren seines toten Vaters gebaut hatte – und sah mich mit stumpfen Augen an, und ich dachte, fahr zur Hölle, fahr zur Hölle, du hast mir ja sowieso keine Chance gegeben.
    Und in dem Moment entdeckte ich meine Tochter. Sie war die ganze Zeit unmittelbar in unserer Nähe gewesen, genau über unseren Köpfen, sie war in die große Birke geklettert, wo unser gestrandeter Drachen hing. Ich konnte sie jetzt klar erkennen, jetzt, wo ich so weit weg war, aus einer Entfernung, die exponentiell zu der mir nun dämmernden Reue immer größer zu werden schien. Zentimeter für Zentimeter schob sie sich den Ast entlang und fischte mit einer Hand nach der Drachenschnur, und ihre Brille blitzte in der Sonne. Die Gläser waren wie zwei Spiegel, die eine geheime Botschaft aussandten: Verstehe nur Bahnhof. Ich mach das hier mal. Sie war ein Kind am Himmel. Sie war meinetwegen dort. Und obwohl es mir zusetzte, sie auf dem Ast hocken zu sehen, erkannte ich zum ersten Mal, wie viel schlimmer es noch werden konnte.

KARUSSELL
    Die restliche Geschichte lässt sich kurz zusammenfassen.
    Meadow stürzte nicht. Der Drachen blieb im Baum. Das unabhängige Gutachten fiel nicht zu meinen Gunsten aus. Die Gegenpartei witterte Morgenluft, änderte die Taktik, und das dazwischenliegende Besuchswochenende verging meadowlos, und ich konnte nichts dagegen tun, aber auch wirklich gar nichts. Obwohl Thron zu mir sagte, die Drohung sei lächerlich und es sei unmöglich, das Besuchsrecht komplett zu verlieren, versank ich in eine Depression, die noch schlimmer war als diejenige, die mich zu ihm geführt hatte. Zwei Wochen lang ging ich nicht aus dem Haus. Außer man zählt den

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