Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
er.
"Jetzt bin ich hier, weil du Giaco getötet hast!" Plötzlich sprang sie los. Sie hielt ihre Arme vor und wusste, dass Schröder niemals zustechen würde, denn er hielt die Waffe wie ein Anfänger. Mit aller Kraft flog sie in hohem Bogen auf ihn zu. Ihre Hände waren kurz davor, ihn zu packen, doch Schröder drehte sich blitzschnell nach rechts. Dann ging alles sehr schnell:
Als sie an ihm vorbeisprang, spürte Giovanna die Wucht zweier Fäuste in ihrem Rückgrat, die in der Wirbelsäule ein knarrendes Geräusch verursachten und ihren Körper beschleunigten. Mit vollem Schwung knallte sie gegen die Brüstung der Terrasse und verlor ihr Gleichgewicht. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie für einen Augenblick den Dom. Plötzlich fühlte sie sich wieder klein und hilflos. Sie konnte sich nicht mehr wehren. Sie fiel. Jetzt verwandelten sich die erhabene Gestalt des großen Münsters, sein kunstvolles Dach, seine bunten Fenster und sein himmelhoher Turm in eine Mischung aus Farben und Formen, die sich immer weiter von ihr zu entfernen schienen. Sie sah all die verspiegelten Scheiben des Haas-Hauses, in denen sie ihren eigenen Körper, völlig verzerrt, erkannte, als sie sich drehend an der Fassade vorüberzog. Leute auf dem Platz unter ihr wurden immer größer, und einige, die nach oben sahen, schrien mit vorgehaltenen Händen. Am Ende schlug sie auf den harten Steinplatten auf. Unter lautem Ächzen brach ihr Genick. Ihr linker Arm lag auf ihrem Bauch, der rechte wies von ihr, seltsam verdreht wie ein Korkenzieher; das linke Bein war leicht angewinkelt, ihr Kopf blutete und lag auf der Seite. Passanten standen wie gelähmt und schrien immer noch. Andere bildeten einen Kreis und drängten immer näher an ihren toten Körper heran.
Der dicke mit Schweiß überströmte Mann mit dem heruntergezogenen Schnurrbart und den wulstigen Lippen bahnte sich panisch einen Weg durch die Menge, bückte sich und fühlte mit feuchten Augen den Puls ihres schlanken Halses. Als er begriffen hatte, küsste er weinend ihre Hand, legte den Arm zurück auf ihren Leib und streichelte zitternd ihr blutiges Haar. Dann stand er auf, nannte leise ihren Namen und stahl sich schluchzend mit gesenktem Kopf durch die fassungslose Menge davon. Er hatte versagt, dachte er. So weit war er ihr hinterher gereist, ohne dass sie es gemerkt hatte, nur um ihr nahe zu sein und sie zu beschützen. Und jetzt lag sie dort, mit toten Augen und gebrochenem Rückgrat.
*
Maria saß auf der Kante des weißen Krankenbetts und nahm den Mann mit den tiefen Gesichtsnarben in ihre Arme. Sie hielt sich solange fest, bis der Kapitän sie behutsam von ihm löste.
"Wir müssen gehen, wenn wir hier keine Wurzeln schlagen wollen", lächelte er.
"Danke, dass du gekommen bist. Ich weiß nicht, was wir ohne dich gemacht hätten. Wie geht es Ricardo?"
Das rechte Auge Marias war blau unterlaufen, ihre Wange zeigte grünes Schillern. Ihre Stirn war von einem Verband geschützt. Ihr rechtes Bein war umwickelt von Mullbinden, und ihre Hand konnte sie nur schlecht bewegen.
"Es geht ihm besser. Er wird es überleben. Und du?"
"Ich habe es schon überlebt, wie du siehst. Aber einen Schönheitswettbewerb werde ich so nicht gewinnen können." Sie lächelte. Dann wurde sie ernst. Ihre Frage kam gedämpft: "Hast du Nachricht?"
"Ja. Es geht ihm gut. Er lässt dich grüßen und schickt dir diese Tulpen." Er gab ihr den Strauß, den er bis dahin in einer großen Papiertüte versteckt hatte.
Sie lächelte. "Er hat es sich gemerkt!"
"Er kann selbst nicht kommen. Aber ich weiß, dass er sich melden wird, sobald die Gefahr für euch und ihn vorüber ist."
"Ich möchte ihm glauben, aber ich bin mir nicht klar!", sagte sie und roch an den Blumen. "Lass uns gehen! Ich muss weg von hier."
Er hob ihre Tasche und nahm ihren Arm, um sie den langen Flur des Krankenhauses hinauszubegleiten. Sie bestiegen ein Taxi. Der Kapitän ließ den Fahrer erst quer durch Messina fahren.
"Es ist seltsam", sagte Maria.
"Was ist seltsam?", fragte der Kapitän.
"Das, was ich empfinde. Ich kenne ihn eigentlich gar nicht. Und doch habe ich bei Reinhard – wenn auch nur für wenige Augenblicke – so etwas wie Geborgenheit gefunden."
"War es nicht umgekehrt genauso?", fragte er.
"Ja, ich glaube schon. Vielleicht ist es gerade das. Wir waren beide in einer schwierigen Lage, und wir waren einsam. Wir brauchten sie beide, diese Geborgenheit. Ich weiß wirklich nicht genau, was mich an ihm so fasziniert, aber
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