Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
während Schröders Spannung stieg. Der alte Mann notierte etwas auf einen Rechnungsblock und stieß den Kellner an, er solle leise übersetzen.
"Die Frau ist verschwunden."
"Wohin ist sie verschwunden?"
Der Alte sah ihm finster in die Augen. Dann schrieb er wieder etwas auf den Block. "Er will Ihren Namen wissen."
"Ich heiße Reinhard Schröder."
Der Kellner sah den Alten an und nickte. Dann übersetzte er erneut, was der alte Mann aufgeschrieben hatte. "Sie hat ihren Mann erstochen, sagt man."
"Sie hat was? Ihren Mann erstochen? Warum?", fragte Schröder verwirrt.
"Es war Notwehr, wegen ihrem Bruder und ihrem Cousin, sagt die Polizei; aber viele Leute hier denken anders darüber", übersetzte der junge Mann. "Beide sind tot!"
"Wer beide? Ricardo und der Capitano sind auch tot?", fragte Schröder drängend. Der alte Mann blickte ihm ernst ins Gesicht, legte den ausgestreckten Zeigefinger an Schröders Hinterkopf und zischte laut. Dann schrieb er wieder.
"Ja, Marias Mann hat es getan! Sie wissen was der Kopfschuss bedeutet?", fragte der Kellner leise. "Es ist die Hinrichtungsmethode der … ehrenwerten Gesellschaft. Sie haben es von den Faschisten übernommen." Der Alte rührte sich wieder und schrieb.
"Er soll Ihnen von Maria sagen, sie ist zu einer Cousine gefahren, die in der Schweiz arbeitet. In Lugano. Dort ist sie sicher. Machen Sie, dass Sie von dieser Insel verschwinden! Ihr Unheil ist auch zum Unheil dieser Familie geworden, sagt er."
"Woher weiß er, dass es Marias Mann war, der die beiden umgebracht hat?", fragte Schröder den Kellner.
"Er sagt, dass man auch erzählt, er hat noch eine Frau umgebracht. Im Norden. Es war deine Frau, sagt er."
"Barbara", sagte Schröder leise.
"Mein Vater weiß alles, was auf der Insel und hier im Süden geschieht. Und er fürchtet sich nicht mehr vor denen, die die Macht in ihren Händen halten. Sie haben ihm vor zwanzig Jahren die Zunge herausgeschnitten. Merkwürdig", sagte der junge Kellner und schüttelte mit dem Kopf, während er zu Boden sah. Dann ließ er seine Augen wieder zu Schröders fahlem Gesicht gleiten, "aber sie scheinen Respekt vor ihrem Werk zu haben, denn meinem Vater tun sie nichts mehr!"
Dann wandten sich beide um und verschwanden.
*
Der Zug fuhr langsam ein. Der monumentale Bahnhof wirkte wie ein Palast aus längst vergangener Zeit. Schröder verließ sein Abteil und empfand Genugtuung über das, was Montag ihm berichtet hatte. Vogler hatte den Fall so gut aufbereitet, dass die deutsche Polizei die Fakten über Interpol an die Mailänder Staatsanwaltschaft hatte weiterleiten können. "Sie wollen dich als Zeugen hören! Reinhard, fahr so schnell es geht nach Mailand", hatte Montag ihn erregt aufgefordert.
Die Beweislage war erdrückend. Durch Voglers Recherchen in Deutschland konnten der ICCO und damit hauptsächlich Saltini schwere Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden.
Schröder fuhr mit einem Taxi durch die Innenstadt Mailands, wo sich Autos hupend ihren Weg bahnten und ihren Beitrag zum täglichen Verkehrschaos der norditalienischen Metropole leisteten. Vor dem Justizpalast hielt er an und ging die große Freitreppe hinauf.
"Herein!", sagte eine tiefe Stimme, als Schröder an die schwere Holztür klopfte. Er öffnete und sah den Staatsanwalt hinter seinem pompösen Schreibtisch sitzen. Er trug einen dunklen Anzug. Seine Schläfen waren ergraut. Sein Kinnbart umrahmte zwei ernste Lippen, und sein Blick verriet viele Sorgen und ein kampfgewohntes Leben.
"Sie sind Dottore Schröder, nicht wahr? Mein Name ist Mauri!", sagte der Anwalt und war aufgestanden.
"Ja, ich hoffe, ich bin nicht zu spät."
"Nein, das sind Sie nicht. Ich bin schon seit Jahren hinter Saltini her. Wir haben schon viele Beweise zusammengetragen. Aber Ihre Aussage wird das Fass zum Überlaufen bringen." Er geleitete Schröder zum Schreibtisch und bot ihm einen Platz an. Der Staatsanwalt lächelte, wandte sich ab und ging ans Fenster. Sein Gesicht wurde ernst. "Wissen Sie, wir Italiener sind ein merkwürdiges Volk. In Europa fragt man sich manchmal, wie unser Staat überhaupt funktionieren kann. Wir fragen uns das auch. Mit dem Unterschied, dass wir uns die Frage jeden Tag stellen. Aber wir lieben unser Land, ganz egal, auf welcher Seite wir stehen."
Eine Sekretärin brachte zwei Tassen mit Espresso.
"Das glaube ich Ihnen gerne, es gibt ja auch genügend Gründe dafür. Allein wenn ich an die schönen Dinge des Lebens denke, die in Italien erfunden
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