Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
dem Fenster und sah hinaus auf die Stadt, über der eine gelbgraue Dunstglocke hing. Es war immer das gleiche Bild: Bei Regen war die Stadt trist, wie jede andere auf der Welt, bei schönem Wetter staute sich die schlechte Luft und die Abgasglocke über der Metropole. Mailand war die Hölle. Er fragte sich, wozu er eigentlich hier noch ausharrte.
Ihm ging durch den Kopf, dass er sich schon zu sehr in Geschäfte hatte verstricken lassen, die am Rande oder jenseits der Legalität lagen. Ohne es rechtzeitig zu bemerken, war er in die Abhängigkeit anderer Leute und Organisationen geraten. Diese Tatsache passte überhaupt nicht zu ihm, wie er fand. Er hasste sich dafür. Das Schlimme war, dass es ihm zwar immer häufiger auffiel, er aber keine Lösung sah.
Gehetzt sputete er zu seinem Schreibtisch und drückte einen Knopf an der Wechselsprechanlage. Kurz danach klopfte es an der Tür seines Büros.
"Herein!", schrie er. Die Tür wurde geöffnet, und Signorina Gucci trat ein. Saltini sah verärgert aus. "Signorina Gucci, stellen Sie mir eine Verbindung mit Berlin her!"
*
Der Schaffner schlenderte den Gang entlang und zupfte an seiner Uniform. In einem spiegelnden Fenster überprüfte er den Sitz seiner Mütze, dann klopfte er an das Glas des Abteils der jungen Frau und schob die Tür zurück.
"Signorina Save, Sie haben Glück." Er lächelte über das ganze Gesicht. "Ein Kollege hat sich an einen Mann, wie Sie ihn beschrieben haben, erinnert. Er sprach einen harten deutschen Akzent; er wollte nach Milazzo telefonieren und bat meinen Kollegen, ihm Geld zu wechseln."
"Oh, das muss er gewesen sein. Weiß ihr Kollege, was er am Telefon gesprochen hat? Es könnte wichtig sein, vielleicht hat er einen Ort erwähnt, oder einen Namen?", fragte Giovanna mit vorgetäuscht verzweifeltem Blick.
"Er hat Deutsch gesprochen. Und mein Kollege versteht nur sehr wenig von dieser hässlichen Sprache. Aber er meinte, der Mann habe einen Namen genannt, der mit einem L beginnt und nicht sehr Deutsch geklungen habe, eher Slawisch oder etwas ähnliches. Aber er wusste noch, wohin er angerufen hat. Es war eine Bar in Milazzo."
"Eine Bar in Milazzo …", sagte Giovanna versonnen.
"Ich kenne diese Bar! Sie liegt direkt am Hafen gegenüber den Anlegeplätzen der Tragflügelboote."
"Und wie heißt diese Bar?", wollte Giovanna wissen.
"Ich habe es Ihnen hier aufgeschrieben, so können Sie es nicht vergessen", sagte der Schaffner stolz und reichte Ihr eine kleine Notiz.
"Danke sehr, Sie haben mir sehr geholfen." Ihr Lächeln verzog sich allmählich, aber sie ließ den Schaffner nicht aus den Augen.
"Nun, wenn ich … sonst noch etwas für Sie tun kann?", fragte der Schaffner mit schlüpfrigem Unterton.
"Nein, können Sie nicht", stellte Giovanna frostig klar.
"Sind Sie ganz sicher?", fragte der Schaffner beharrlich.
"Ich wüsste nicht, was!", sagte Giovanna fest und blickte dem Mann mit der Uniform unterkühlt ins Gesicht.
Der Schaffner war verdutzt und nur noch zu einem leisen "Entschuldigen Sie bitte!" fähig. Verwundert verließ er das Abteil und traute sich nicht, die Frau noch einmal anzusehen.
Rotwein und Erdenglut
Giovanna Grimaldi hielt ein Taxi an und übergab dem Fahrer wortlos den Zettel mit der Adresse in Messina, den sie von Saltini erhalten hatte.
Saltini! Er war der einzige Mann, der sie je beeindruckt hatte. Giovanna war vor sechs Jahren zu Saltini überstellt worden. Saltini hatte eine Frau gesucht, die Aufgaben am Rande der Legalität für ihn ausführen sollte. Vom ersten Augenblick an war sie von Saltini tief beeindruckt gewesen. Schon seine Stimme hatte für sie etwas Fesselndes gehabt, so dass es Augenblicke gegeben hatte, wo sie wie gelähmt war, wenn er sie ansprach. Sein kraftvoller Blick, sein rassiges Gesicht, der würdevolle Gang, die stets edle Kleidung und seine aristokratische Erscheinung. Saltini hatte gespürt, wie sehr sie ihm ergeben war. Doch hatte er zu ihrem Bedauern nie versucht, sie zu verführen. Er hatte sich ihre Zuneigung anders zunutze gemacht. So war sie nach ihrer lieblosen Kindheit an einen Mann geraten, der sie hatte Dinge tun lassen, die zunehmend krimineller und brutaler wurden, obwohl sie so etwas nie hatte tun wollen. Als ihr das Dilemma klar wurde, war es bereits zu spät. Irgendwann war sie endgültig in seine Fänge hineingerutscht: Saltini hatte sie in der Hand. Und sie unterwarf sich gern.
Sie hatte Angst davor zuzugeben, was sie wirklich für ihn empfand. Vor allem
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