Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
lag ein Überbleibsel von letzter Nacht. Die Frau war halbnackt. Ihr Kopf hing nach unten, in der linken Hand hielt sie ein leeres Weinglas. Wo das Glas den Boden berührte, hatte sich ein roter Fleck ausgebreitet.
"Steh auf!", herrschte Ganter auf Russisch die Frau an und gab ihr einen unfreundlichen Ruck, so dass sie erwachte. Sie gab unwillige Geräusche von sich. Als sie sich noch einmal umdrehen wollte, zog Ganter solange an ihrem Arm, bis sie auf den Boden fiel.
"Auf, hab ich gesagt! Ich muss weg", befahl er. "Zieh dich an und verschwinde. Ich kann dich nicht brauchen", schob er etwas sanfter hinterher.
Wortlos setzte die Frau sich auf, rieb sich die Lider und sah ihn an. Dann erhob sie sich und wankte ins Bad. Genau vier Minuten später hatte sie die Wohnung verlassen.
*
Giovanna stand am Bug des Bootes mit den hellblauen Planken. Ihr Blick hing an Schröders Augen. Er fixierte sie, obwohl er mit seinem Freund sprach, der neben ihm an der Reling der Fähre lehnte. Als das Boot in der kleinen Bucht von Ginostra anlegte, waren sie außer Sichtweite geraten.
Der Bootslenker steuerte sein Gefährt geschickt an die Anlegestelle. Giaco sprang an Land und vertäute das Boot am Bug, worauf der Lenker noch einmal mit Vorwärtsfahrt dafür sorgte, dass die Leine stramm gezogen wurde und sich die Backbordplanken an den Steg drückten. Giaco zog an der Achterleine und legte einen Mastwurf um den Poller. Giovanna verließ ihren Posten und ging, gefolgt von dem Dicken an Land. Der Bootslenker reichte ihm den Rucksack und die anderen Gepäckstücke.
Ein vierter Mann kam hinzu, der am Steg auf sie gewartet hatte. Er war für einen Süditaliener enorm groß und kräftig und hatte ein finsteres Gesicht, das er unter einer schwarzen Baseball-Mütze verbarg, die einen silbernen Knopf hatte. Den Dicken würdigte er keines Blickes. Nur Giaco und Giovanna begrüßte er mit einem knappen Kopfnicken. Er nahm ihre Taschen und den Rucksack entgegen und ging den Weg hinauf, der zum Dorf führte.
"Alles vorbereitet?", fragte Giaco.
"Ich denke ja!", sagte der vierte Mann.
Ihr Weg blieb wortlos.
"Woher kennst du den Kerl?", fragte Giovanna Giaco leise.
"Er wohnt auf der anderen Seite der Insel, in San Vincenzo. Er gehört zu uns und erledigt Aufträge, bei denen man nicht viel zu denken braucht. Er ist ein Hitzkopf. Aber wir werden nicht weiter mit ihm zu tun haben."
In dem Moment, als sie das Haus betraten, erhob sich ein weiterer Mann von einem derben Holztisch. Er war kleiner als der andere; doch seine kräftige Statur wurde durch das Licht des kleinen Fensters hinter seinem Rücken zur imposanten Silhouette. Der Mann mit der Baseball-Mütze deutete auf den Schatten im Eck und sagte: "Dieser Mann wird Sie führen, Signore Giaco!"
"Schönes Haus", sagte Giovanna, um die Atmosphäre zu lockern. Der Mann in der Ecke sagte leise: "Eines der ältesten im Dorf."
"Wie alt?", fragte Giovanna. Ein bisschen Geplauder konnte nicht schaden.
"Das Haus hat den letzten großen Ausbruch des Strombolis im Jahre 1930 überstanden. Damals hat es viele Tote gegeben. Fast alles ist damals verbrannt. Zwei Drittel der Überlebenden haben nach der Katastrophe ihre Heimat Stromboli für immer verlassen."
*
Die Fähre lichtete die Anker und fuhr weiter. Der Schiffsdiesel heulte auf. Die Fähre bewegte sich um die Südspitze des Berges herum Richtung Osten, um den Hafen der Insel zu erreichen: San Vincenzo, das mit dem kleineren San Bartolo einen Doppelort bildete.
Schröder und Lasky beobachteten, wie die Fähre manövrierte. "Perfekt", sagte Schröder und schnippte bewundernd mit den Fingern. "Weißt du, ich glaube, du hast Recht, es ist eines der schönsten Fleckchen auf der Erde!"
"Warte ab, bis du erst an Land bist. Aber denke daran: Und wenn sie noch so lächeln, bloß nichts kaufen!"
"Wieso eigentlich nicht?"
"Damals, als ich zum ersten Mal auf Stromboli war, da ging ich die enge Bergstraße durch San Vincenzo rauf. Sie führt vom Hafen zum alten Ortskern. Es war heiß. Nach kurzer Zeit sah ich einen freundlichen jungen Mann mit kohlrabenschwarzen Haaren am Straßenrand stehen. Mit einem Winken lockte er mich in seinen kühlen Verkaufsraum, der wie eine Garage aussah. Der Raum stand voller Obst, Tomaten, Gemüse, kurz: alles, worauf ich in der Hitze Appetit verspürte. Obwohl ich nur wenig Italienisch, geschweige Sizilianisch verstand, gab der Händler mir das Gefühl, sein bester Kumpel zu sein. Hier wurde die Farbe
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