Schroedingers Schlafzimmer

das gemocht: nackt im Bett liegen, Rotwein trinken und sich lieben. Vielleicht gab es einen guten Grund, Oliver in dem Glauben zu lassen, sie habe ein Verhältnis mit Schrödinger gehabt; es war eine einfache Gleichung, die ihre Ehe ausbalancierte: Sie waren quitt. –
Jenny und Jonas haben ein Recht darauf. – Reicht denn das? Was ist mit uns? Worauf haben
wir
ein Recht? – Auf uns. – Ich weiß nicht, Do. – Aber
ich
weiß es.
– Die Feuchtigkeit würde Moos über eine Zeichnung wachsen lassen, hier ganz in der Nähe. Do schloß das Fenster wieder, es sollte nicht zu kühl werden im Zimmer. Das Haus hatte sich tagsüber aufgeheizt. Auf den Nachttischen stand jeweils ein Funkwecker; sie wichen nie voneinander ab, irgendeine Instanz zwang sie in den gleichen Takt. Vielleicht war auch das Verstreichen der Zeit eine Illusion. Do hörte Oliver die Treppe hochkommen. Sie wußte, daß er ein Tablett mit der Rotweinflasche und zwei alten langstieligen Gläsern in den Händen hielt. Es war ein Balanceakt. –
Ich glaube, das geht mir zu schnell.
–
Das werden wir ja sehen, wenn wir dort sind
.–
Wenn
|299|
wir wo sind?
–
Wo schon? In unserem Schlafzimmer.
– Do drehte sich um und zog die Vorhänge zu. Olivers Schritte im Flur riefen das gleiche vertraute Knarren hervor wie die ihren vor wenigen Minuten. War es wirklich möglich? Es war dunkel im Zimmer. Gleich würde Oliver die Tür öffnen. Und sie fing an, sich auszuziehen.

Informationen zum Buch
    Erwin Schrödinger, der Vater der Quantenmechanik, war ein Bohemien und hielt sich stets eine Reihe von Freundinnen. Daher ist der Optiker Oliver Schwarz auf unbestimmte Weise beunruhigt, als ein gewisser Balthasar Schrödinger in der Nachbarschaft einzieht und behauptet, ein Enkel des großen Physikers zu sein. Sein Mißtrauen verstärkt sich, als sich der Nachbar als berufsmäßiger »Zauberer« vorstellt und als erstes Olivers Frau und dessen Kinder mit seinem Charme und seinen Geschenken bezaubert.
    Es beginnt ein ehelicher Machtkampf voller Eifersucht und Mißverständnisse, der bei aller verbissenen Ernsthaftigkeit der Akteure für den Leser stets amüsant bleibt.

Informationen zum Autor
    Ulrich Woelk , 1960 in Köln geboren, forschte als Astrophysiker, bevor er Erzähler und Dramatiker wurde. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Für sein Debüt ›Freigang‹ ( dtv 13397) wurde er 1990 mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet. Außerdem im dtv : ›Liebespaare‹ ( dtv 13092), ›Die letzte Vorstellung‹ ( dtv 13253) und ›Einstein on the lake‹ ( dtv 24427).
    Weitere Informationen unter: www.ulrich-woelk.de