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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Quetschungen und einen Rippenbruch zugefügt hatten. Wer tat denn so etwas? Gestorben war Salome Zweifel spätestens um 22 Uhr, eventuell sogar etwas früher. Das sprach dafür, dass sie nach ihrem Tod auf die Straße gelegt worden war. Sonst wäre sie wohl früher gefunden worden, denn in dieser Wohngegend, in dieser Straße waren zu jener Zeit gewöhnlich noch Passanten unterwegs. Wo war die Frau also gestorben und wo war ihr Körper versteckt worden, bis er irgendwann nachts an der Hausmauer platziert wurde? Es hatte zwei Stunden geregnet, bevor sie entdeckt worden war, weder Fußabdrücke noch andere Spuren waren auszumachen.
    »Salome Zweifel«, rekapitulierte Elmer, »die im gleichen Haus wohnt, in dem FahrGut eingemietet ist, wo vor drei Wochen ein Mord begangen wurde, stirbt. Zwar eines natürlichen Todes, aber nach ihrem Ableben ist ihr Gewalt angetan worden. Sie war die Großtante von Raffaela Zweifel, die vor zwei Wochen ein im FahrGut gestohlenes Fahrrad verkaufte. Diese hatte das Mordopfer gekannt, war möglicherweise von ihm erpresst oder belästigt worden. Oder beides.« Sie verwarf die Hände. »Was soll das Ganze? Das sind Puzzleteilchen, die in der Form zusammenzupassen scheinen, aber kein Bild ergeben. Aber Zufall kann das alles nicht sein.«
    Nein, Streiff glaubte ebenfalls nicht, dass das ein Zufall war. Aber auch er konnte keinen sinnvollen Zusammenhang ausmachen.
    »Raffaela Zweifel steckte in finanziellen Schwierigkeiten«, sagte er. »Wir müssen abklären, ob sie die Erbin ihrer Großtante ist.«
    Ob die alte Frau Geld hinterließ? Primarlehrerin. Hatte einfach gelebt. Günstige Wohnung. Keine teuren Hobbys. Hatte vermutlich etwas auf die Seite gelegt. Ob sie es ihrer Großnichte hinterlassen hatte? Streiff, der einen Ordner mit persönlichen Dokumenten aus Salome Zweifels Wohnung mitgenommen hatte, fand nach kurzem Suchen das Testament. Von Hand verfasst, die zierliche, gut lesbare Schrift einer ehemaligen Lehrerin, datiert und vom Hausarzt und einer Nachbarin unterschrieben. Salome Zweifel hinterließ ihr Vermögen von immerhin annähernd 100.000 Franken ihrer Großnichte Raffaela.
    »Wir müssen überprüfen, wo die Frau gestern Abend war«, meinte Streiff. »Aber es ergibt dennoch keinen Sinn. Die alte Dame ist nicht umgebracht worden. Und weshalb hätte Raffaela Zweifel sie auf der Straße platzieren und ihr Tritte versetzen sollen? Und den Laptop hätte sie nicht zu entwenden brauchen. Den erbt sie ohnehin.«
    Stehen wir jetzt wieder am Anfang?, fragte sich Zita Elmer entmutigt. Ihr Hochgefühl vom letzten Samstag war verflogen. Trümpy war nach wie vor in Haft. Aber er leugnete standhaft, Tschudis Komplize gewesen, von ihm erpresst worden zu sein oder ihn gar umgebracht zu haben. Spuren von ihm hatten sich im FahrGut keine gefunden und in Tschudis Adressbuch war er nicht verzeichnet. Auch wenn das nichts heißen musste. Dabei wäre er geradezu die ideale Besetzung gewesen, als Komplize wie als Erpressungsopfer. Aber er wollte die Rolle nicht. Alibi für die Mordnacht hatte er keines. Aber das genügte nicht. Die Sache mit dem hypermodernen Schloss in Schiessers Laden hatte sich so unbefriedigend wie unspektakulär in Luft aufgelöst. Es war einfach nicht mehr da und Schiesser hatte bestritten, je eines besessen und ausgestellt zu haben. Auch ob er das Schaufenster angesprüht hatte, war bis jetzt nicht bewiesen.
    Streiff fragte sich, weshalb die Ermittlungsarbeit in diesem Fall so zäh vorankam. Jede Spur verlief im Nichts. Aber es musste irgendeine Kleinigkeit geben, eine vielleicht unwichtig erscheinende Information, eine Beobachtung, die im richtigen Licht betrachtet werden musste; irgendein Detail, bei dem man einhaken konnte. Das gab es immer, bei jedem Fall. Meist fand er es schneller. Aber er zweifelte nicht daran, dass er noch darauf stoßen würde.
     

2. Teil
    Zita Elmer kam selbst im FahrGut vorbei, um die Todesnachricht zu überbringen. Valerie zog es das Herz zusammen. Frau Zweifel war alt gewesen, ja. Und nicht ganz gesund. Alte Menschen sterben, das war so. Aber die Tritte. Jemand hatte der alten, toten Frau mehrere grobe Tritte versetzt. War es ein Betrunkener gewesen, nachts, der auf dem Heimweg war und irgendwelche Aggressionen an diesem wehrlosen Körper abreagiert hatte? Natürlich hatte Frau Zweifel davon nichts mehr gespürt, dennoch empfand es Valerie als schlimme Verletzung der Würde. Sie empfand Reue, weil sie Frau Zweifel nicht mehr gesehen, sich nicht um

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