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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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nächsten fingen ein paar Leute vor der Bühne an, Pogo zu tanzen. Colins Spiel wurde langsam sicherer, und er erwischte ein paar ziemlich überraschende Einsätze. In der Mitte von Storno bitte zog Wolf ihn sogar an den vorderen Rand der Bühne, und Colin legte ein verdammt schnelles Solo hin, das aus Versatzstücken von Mozart bestand. Er bekam dafür Extraapplaus.
    Eine knappe Stunde später hatte die Band die Setlist durch. Alle vier – sogar Tier – stellten sich an der vorderen Kante der Bühne dem Applaus.
    »Yes!«, schrie Wolf. »Gebt’s uns totally crazy!«
    Die Zuschauer riefen: »Zugabe!«
    James sah Colin an und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    Tier trottete zurück zu seinem Hocker.
    »Wirklich?«, rief Wolf. »Ich sag euch was, ihr seid das lahmarschigste Publikum, das ich kenne! Wieso ruft ihr nicht vor dem letzten Lied? Jetzt haben wir keins mehr, das habt ihr nun davon!«
    Das Publikum johlte. Offenbar hielt es Wolfs Ausbruch für einen Teil der Show. Colin war sich alles andere als sicher, dass das der Fall war. Die Band hatte keine Songs mehr, und Improvisieren hielt Wolf für den ersten Schritt auf dem dunklen Weg zur Volksmusik.
    »Ihr kapiert ja überhaupt nichts! Wisst ihr was? Ihr habt eine Band wie uns nicht verdient!« Wolf rauschte von der Bühne, verfolgt von unverständlichen Rufen aus dem Zuschauerraum. Aber er drehte sich noch einmal um: »Wisst ihr, was ihr seid? Angepasst seid ihr! Angepasst! Leckt doch der Mafia den … was heißt Arsch auf Italienisch?«
    Angewidert ließ Wolf das Mikrofon auf die Bühne poltern. Es gab einen Riesenkrach, den Tier für seinen Einsatz hielt. Er programmierte einen langsamen Rhythmus, der wie der letzte Marsch der Sterne übers Himmelszelt klang.
    James warf Colin einen fragenden Blick zu. »Wir können nicht einfach gehen!«, zischte Colin. Er wusste nicht, ob James ihn verstanden hatte. Der Gitarrist sah unschlüssig zum Mikrofon, das immer noch auf dem Boden lag. Dann fing er an, verzerrte Mollakkorde zu einem löchrigen Netz zwischen Tiers Sternen zu verweben. Jemand löschte fast alle Scheinwerfer und schaltete einen grünen Laserpointer ein, der auf einer der Bassboxen festgeklebt war. Vibrationen aus Licht schwebten über den Köpfen der Fans.
    Und plötzlich hielt Colin das Mikro in der Hand. Gaffte es an, als wäre es ein Pinguin.
    Trat nach vorn. Sah die kleine Überwachungskamera, die provisorisch über Kopfhöhe am Bühnengestell festgeklebt war. Er setzte zu einem monotonen, langsamen Sprechgesang an:
Meine Mama weiß nicht, that I’m here
Nur Augen hinter Cams above
Die wissen Bescheid, bescheider noch als wir.
Früher, früher we were free.
     
    James begann ein unfassbar melodiöses Solo, und Colin erhaschte einen Blick auf Wolf, der am Zugang zur Bühne von zwei Leuten daran gehindert wurde, nach oben zu stürmen. Seine Lippen formten ein: »Kettensäge! Gebt mir eine Kettensäge!«
    Ohne zu wissen, woher die Worte kamen, sprach Colin weiter. Er wusste, dass er nicht singen konnte, daher versuchte er es gar nicht erst. Umso mehr Energie legte er in seine Worte:
Long shadows cover those who hide
Im Schattenland, fremd used to be
Wisst ihr Freunde, ich leb auch hier
Früher, früher we were free.
     
    Colin hielt das Mikrofon ins Publikum und wartete, bis es den letzten Vers zweimal wiederholt hatte. Dann warf er James einen Blick zu. Der ließ die Gitarre sanft singen, und Colin sprach ins Mikro:
Wahrheit ist der price der Macht
We many have nur distrust, fear
Die ollen Griechen hatten was, das hieß Demokratie
Früher, früher we were free.

Früher, früher we were free.
     
    Langsam ließ Colin das Mikrofon sinken, während Tier und James ein unverabredetes Crescendo einleiteten. Die Zuschauer schrien, klatschten. Euphorie schwappte Colin entgegen, Inhalt von Bierbechern war auch dabei. Durchtränkte sein ohnehin schon nasses T-Shirt, sein Bewusstsein und seine Zukunft.
    Er verbeugte sich. Tier und James standen neben ihm, verbeugten sich immer wieder. Die drei applaudierten den Fans, zeigten die Metaller-Fingergeste. Verließen winkend die Bühne.
    Und wurden von Wolf empfangen, dem glücklicherweise niemand eine Kettensäge zur Verfügung gestellt hatte. Der Bandleader stürzte sich auf Colin. Nahm ihn in die Mangel. Colin blieb die Luft weg. Er brauchte einen Moment, bis er darauf kam, dass er sich wehren sollte. James und Tier halfen ihm. Daniel war auch dabei. Endlich ließ Wolf von Colin ab.

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