SchrottT (German Edition)
»Verräter!«, schrie er. »So einen No-Crap-Shit zu singen!«
»Chef, ich weiß ja nicht genau …«, begann Daniel.
»Dann halt auch deine scheiß Fresse!«
»… aber wenn ich mich nicht täusche, fanden die Leute es ziemlich crappy. War das frenetischer Jubel da eben oder war das keiner?«
»Du hast keine scheiß Ahnung«, heulte Wolf. »Keine scheiß Ahnung hast du!«
»Komm runter«, sagte James. »Die Leute wollten eine Zugabe, und sie haben eine gekriegt. Wieso musstest du auch abdampfen?«
»Scheiß …« Wolf fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Also gut, vielleicht habt ihr es ja noch nicht kapiert …« Er bohrte sich den eigenen Zeigefinger in die Brust. »Das hier, wo der Finger draufzeigt, also … der Finger zeigt auf den Boss, ist das geklärt? Wenn der Boss sagt, es gibt keine Zugabe, dann gibt es keine. Wir lassen uns nicht von unserem scheiß Publikum versklaven! Wir spielen, was wir wollen, nicht, was das scheiß Publikum will!«
»Äh«, machte Daniel, überlegte es sich aber anders. »Ich wollte nur sagen, ihr kommt jetzt sicher alleine klar. Wenn noch jemand umgebracht werden soll, bitte Bescheid geben, damit ich es todesmutig verhindere, ohne dass mir auch nur gedankt wird.«
»Danke«, brachte Colin hervor. »Ich musste erst mal Luft holen.«
»Versteh ich gut«, sagte Daniel und klopfte Colin auf den Rücken. »Nach dem Auftritt … Fuß- und Schwanzbruch, Mann!«
»Danke.«
»Hör zu«, sagte Wolf, »ich bestreite ja nicht, dass es den Leuten gefiel. Aber du musst begreifen, dass das genau das Problem ist. Wenn du spielst, was den Leuten gefällt, nennt man das … Popmusik.« Er spuckte aus.
»Igitt!«, entfuhr es Colin.
»Beim Crap Metal geht es darum, den Leuten das Hirn aus dem Schädel zu dreschen, sodass nichts mehr übrig bleibt. Nichts, hörst du? Kein Verstand, keine Lust, keine Gefühle. Gar nichts. Nur dann funktioniert es.«
»Es?«, fragte Colin.
Langsam schüttelte Wolf den Kopf, dann lachte er humorlos. »Du hast wirklich keine Ahnung.« Sein Smartphone quäkte, und Wolf warf einen flüchtigen Blick darauf. Dann schüttelte er erneut den Kopf. »Räumen wir unseren Kram in den Wagen. Der Zugabesänger darf mithelfen.«
»Ja, Chef«, sagte Colin. »Alles, was du sagst.«
Als er die dunkle Bühne betrat, um den Kram einzusammeln, war der Zauber verflogen. Und doch lag es noch in der Luft, dieses knisternde Gefühl …
Erst als Colin völlig erschöpft zu Hause ins Bett sank, und er noch einmal beim Einschlafen wie auf Schwingen über die Bühne glitt, fand er einen Namen für dieses Gefühl.
Revolution.
Überfällige Revolution.
Am nächsten Morgen surfte Colin eher aus Langeweile auf die Band-Webseite. Sein Staunen wuchs, als er sich im Gästebuch durch Hunderte Einträge scrollte, die alle ihre Begeisterung ausdrückten und unbedingt wissen wollten, wo man das Lied runterladen konnte.
Hunderte Einträge? Colin schüttelte den Kopf. So groß war das Publikum auch wieder nicht gewesen. Er forschte nach. Es stellte sich heraus, dass irgendjemand das Lied mit seinem Smartphone mitgeschnitten und in einem Underground-Channel gepostet hatte. Die Qualität war miserabel, die aufpoppenden Porno-Banner nervten gewaltig. Und doch hatten sich im Handumdrehen unzählige Leute gefunden, denen der Song sogar in der schlechten Aufnahmequalität so gefiel, dass sie ihn unbedingt käuflich erwerben wollten. Für die Verhältnisse eines Underground-Channels kam das einer Revolution gleich.
Während Colin auf dem Weg zur Arbeit noch überlegte, was Wolf von dieser Popularität halten würde, klingelte sein Handy.
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Colin. Im Laufen nahm er das Gespräch an. »Wie geht’s, Chef?«, fragte er.
»Alles total im Arsch«, kam Wolfs Stimme aus dem Lautsprecher. »Aber scheiße noch mal, was denkst du, was ich sage, wenn ein Kerl anruft und sagt, er hätte ein Studio und gegen Gewinnbeteiligung könnten wir den Song bei ihm aufnehmen, gratis quasi?«
»Noch mal langsam, sodass auch ein Geigenspieler es versteht, bitte«, sagte Colin.
Wolf schnaubte lautstark ins Telefon. »Die bekackte Kurzform willst du hören? Du … Popstar? Morgen, Samstag, 10 Uhr, schlägst du in einem miefigen Provinzstudio auf und schwingst den Bogen. Ich mail dir die Adresse. Biste unpünktlich, kriegste deine Fidel in den Magen. Durch den Hintereingang. Arbeite schön.«
Der Bandleader beendete das Gespräch. Colin blieb stehen und gaffte sein
Weitere Kostenlose Bücher