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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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knappen Worten. Ihr Schal liegt in deinem Schoß, du spielst mit seinen Fransen. Ich sehe dir an, dass du wartest. Worauf nur.
    Nach kurzer Zeit kehrt Nestor auf seinen Olymp zurück. Er verabschiedet sich mit einem Handkuss bei der roten Paillettenfrau. Für heute wird er nicht mehr herabsteigen, ich weiß es. Er kommt nie öfter als dreimal herunter.
    Dass Damla auf meine Musik zu sprechen kommt, auch mir Fragen stellt, habe ich nicht erwartet. In ihren Augen mischt sich Zutraulichkeit mit Vorsicht, die neu zugezogene Nachbarskatze, die zum ersten Mal meinen Garten betritt. Sie kriecht unter den Holunderbüschen durch, hat die Augen eines Tieres, das nicht viel Zeit in freier Wildbahn verbracht hat. Ich wette trotzdem, dass das Kätzchen klare Vorstellungen vom Leben hat, wie hätte es sonst unter all den Städtern dich umschlichen, angeschnurrt, sein tabakblondes Fell auf deinem Teppich gelassen. Damla weiß, was gut ist.
    Dass sie mich auf ihre schmeichelnde Art ausfragt, in ein Gespräch verwickelt, überrascht mich. Natürlich hatte ich anfangs den skeptischen Blick bekommen, mit dem Frauen mich gern begrüßen, von oben nach unten und zurück. Jetzt jedoch hat sie den Kätzchenblick aufgesetzt, fütter mich, erzähl mir was. Ich kann nicht anders, als ihr freundlich die Hand hinzuhalten, zu antworten, zu lächeln. Ihre Neugier ist echt.
    Nachdem Damla ihre Fragestunde beendet hat, lehnt sie sich zurück, saugt etwas Mojito zwischen ihre Lipglosslippen. Sie und die Rotpaillettierte beginnen von einem gemeinsamen Varietébesuch zu schwärmen. Damla findet ihren eigenen Faden wieder und plappert fröhlich. Ein Pantomime, der vorgab, seine eigenen Hände zu fürchten, gefiel ihr am besten. Sie macht seine Bewegungen nach, zum ersten Mal fallen mir ihre kleinen, kräftigen Hände auf. Ihre Fingernägel sind sauber gekürzt. Für einen Moment wünschte ich, sie immer so sorglos plappern zu hören. Für einen Moment will ich diese Hände packen, in ihre tabakblonden Augen sehen. Weißt du eigentlich. Du dummes Ding. Erst jetzt bemerke ich, dass ich begonnen habe, sie zu mögen. Ich studiere das Hüpfen ihrer gezupften Augenbrauen, die rege Bewegung in ihren Pausbäckchen. Ihre Stimme gluckert einen Bach zusammen, ich höre nur noch das Rollen der Silben, das Blubbern der Töne.
    Erst als Damla und die Paillettenfrau vom Tisch aufstehen, nehme ich den Sinn ihrer Worte wieder wahr. Sie gehen zur Toilette. Ihre Silhouetten stöckeln ins zuckende Diskolicht hinaus. Ihre Hintern verschwinden mit Schwung am Horizont, wohlbeladene Geschwisterschiffe. Peer huldigt dem Schauspiel mit hungrigen Blicken.
    Als der Platz neben dir leer ist, suchst du meine Augen. Ich möchte singen. Ich möchte dir dein Rabenhaar raufen. Obwohl wieder die Tintenschwärze in meinem Herz hochschwappt, ringe ich mich durch.
    »Ich gehe bald«, sage ich.
    Peer wirft uns einen skeptischen Blick zu. Vielleicht will er etwas sagen. Wir sehen nicht hin. Er sinkt in seinen Sessel zurück, legt den Kopf in den Nacken und studiert die Decke. Du berührst mich wie zufällig. Zeichnest Linien, Schnörkel, Piktogramme auf meinen Handrücken.
    »Ich hab dich übrigens vermisst«, sagst du.
    »Ich hatte das Telefon aus. War oft weg.«
    Du sprichst weiter, deine Stimme wäscht in beruhigenden Wellen über mich weg. Wieder schnappe ich nur die nötigsten Brocken auf, Treibgut, und ich frage mich, ob ich mich daran festkrallen oder loslassen sollte. Ein Teil von mir ist längst fort, hat den Zug genommen, rast gen Westen, Paris, Atlantik.
    »Ich sage es ihr. Heute noch.«
    Ich weiß, dass du nicht lügst. Der traurige Prinz lügt nicht. Ich spüre seinen streichelnden Fingern nach und frage mich, was ich am Atlantik will. Ich kenne niemanden dort.
    »Nächste Woche sehen wir uns. Allein.«
    Du suchst nach Bestätigung in meinen Augen. Ich nicke. Denke jedoch nicht an nächste Woche, sondern an die muschelweiße Wand hinter dir. Wie ich dich dagegenwerfe, wie dein Kopf dagegenknallt, wie ich mich gegen deine Brust stemme, deine Rippen gegen meine gepresst.
    »Lass diesmal das Telefon an«, sagst du.
    Deine Finger stehlen sich meinen Arm hinauf. Die Piktogramme haben jetzt die Form komplizierter Schriftzeichen angenommen. Ich verfolge sie aufmerksamer, als ich dir zugehört habe. Ich weiß, dass ich gehen muss.
    Es gibt ein Lachen, das nur Millimeter davon entfernt ist, ein Weinen zu sein, und genau deshalb heller strahlt als jedes andere Lachen. Dieses Lachen, nicht

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