Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
beschränkt sich schon sehr stark auf die Erlebnisse dieses
Pfades.
Und davon gibt es wahrlich genug!
So erzähle ich ihnen die Geschichte von Foncebadon, als mich
das italienische Fernsehteam von Canale 4 aufgegabelt hat.
„Was?“, Heather ist begeistert, „Du warst das? Ich habe von
dieser Geschichte schon von anderen Pilgern gehört, aber ich kannte die
dazugehörige Person nicht. Das ist ja abgefahren. Jetzt sitz’ ich hier mit dir
am Tisch.“
„Ja, so ist der Weg“, sagt Juan und wir alle pflichten ihm
kopfnickend bei.
Wir unterhalten uns über alles Mögliche und haben es
sagenhaft lustig. Wir sind ausgelassen, lachen viel, trinken wunderbaren Rioja
und der Abend fliegt dahin. Plötzlich fängt es am Klostertor gegenüber an zu
scheppern. Die Padres beginnen die Pforten zu schließen. Schade, wirklich sehr
schade.
Wir müssen ins Bett.
Konsequenter Weise hat außer Heather keiner von uns die
Menge des Weines beachtet und so torkeln wir laut krakehlend in unser eiskaltes
Klosterrefugio.
Ich stopfe mir die Ohropax sehr sorgsam und tief in die
Ohren und schlafe phantastisch bis um 5.00 Uhr früh. Dann beginnen die ersten
Pilger mit dem zusammenpacken ihrer Habseligkeiten und es wird laut im
Schlafsaal. Nicht zuletzt deshalb, weil von den ersten Packern, die nächsten
aufwachen und dann auch beginnen zu packen. In diesen Betten gibt es überhaupt
keinen Grund länger zu verweilen als unbedingt notwendig.
Bis auf das Mädel mir gegenüber. Gestern Vormittag ging sie
noch alleine. Nachmittags sah ich sie mit einem Spanier beim Essen und sie
wirkte sehr aufgedreht. Im Refugio nahmen sie sich zwei Betten, die eng
nebeneinander stehen und abends hat sie sich sogar geschminkt, als sie mit dem
Spanier wieder zum Essen ist. Später liefen die beiden Hand in Hand durch
dieses Kaff. Ich hatte den Eindruck sie wären verliebt.
Als sie aber am Abend ins Bett sind, drehte sie ihm schon
den Rücken zu und wirkte traurig. Er hat sich sehr viel Zeit gelassen mit
seiner Abendtoilette und gewartet bis sie schlief, bevor er ins Bett ging.
Heute, ganz früh, schleicht er sich leise davon und sie tut, als ob sie
schlafen würde, um ihm einen Vorsprung zu gewähren.
So kann es auch gehen. Auf diesem Weg ist alles möglich.
Tag 7:
von Samos bis irgendwo 5 km vor Portomarin
Heute früh gibt es eine flüchtige Katzenwäsche. Mehr nicht.
Klopapier ist alle und neben mir am Waschbecken rotzt ein dicker, stinkender
Mann so ekelhaft in sein Becken, dass ich laut würgend das Bad verlasse. Pfui
Deifel!
Raus hier, so schnell wie möglich. Ein einziges Mal im
Kloster übernachtet und damit hat es sich! Ich habe es getan, es war schlimmer
als erwartet und nun ist es auch gut. Eilig packe ich im Halbdunkel meine
Sachen zusammen und verschwinde. Dabei vergesse ich das Säckchen mit den
Ladegeräten und merke es nicht. Auch das noch.
Obwohl es noch nicht hell ist, haben hier schon die ersten
Cafés geöffnet und diese sind gut gefüllt mit Pilgern, die vermutlich so froh
sind wie ich, diesem Kloster entkommen zu können. Mir ist noch nicht nach
Frühstück und so gehe ich einfach weiter.
Es ist neblig und dämmerig und heute ist alles so schwer.
Der Rucksack, die Knochen und vor allem der Kopf. Ich hätte mal besser nicht so
viel mit den Brasilianern gebechert. Heather hatte also doch Recht. Wie sie als
Alkoholverteuflerin zu dieser Erkenntnis kam, würde mich allerdings schon noch
interessieren. Vielleicht begegne ich ihr ja noch einmal und frage sie dann.
Hape Kerkeling schreibt, dass es irgendwann einmal schwer
werden wird. Heute ist es also schon wieder so weit. Der Tag des Schweren
Kopfes ist dran. Na dann eben heute. Dieser Tag ist so gut wie jeder andere. Er
ist sogar ganz gut geeignet, weil hier dichter Nebel ist. Das ist schön frisch
und nicht so heiß.
An dem Pilgerspruch: „Wenn du denkst, es geht nicht mehr,
geh’ einfach weiter“, ist tatsächlich was dran. Wer hätte das gedacht.
Irgendwann wird es besser. Der automatische Pilger in meinen Beinen schaltet
sich ein und führt mich den Weg entlang.
Es geht wieder durch einen herrlichen Wald. Dieses Mal
spielen nicht die Sonnenstrahlen durch die grünen Blätter, sondern der Nebel
hat sich darin verfangen. Das ist nicht weniger mystisch. Es hat nur ein
anderes Gesicht.
Diese Wälder hier sind einfach unbeschreiblich und
wunderschön. Ich kann es zwar kaum glauben, aber die beiden Italiener (der
blöde und der sympathische) haben mich eingeholt und sprechen
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