Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
eigentlich nur in
der Magdalenenkirche. Irgendwie schaffe ich es nie in einem Ort zu verweilen.
Nach den vielen Kilometern durch die Natur, ist es mir in den Orten irgendwie
viel zu laut, zu geschäftig, zu eng, zu voll… ich weiß auch nicht so genau,
warum ich jedes Mal so zielstrebig wieder hinausmarschiere. Dafür ist diese
Kirche mal echt etwas anderes. Erstens ist sie geöffnet und nicht
abgeschlossen, wie die meisten anderen Kirchen auf diesem Weg und dann sind
hier drin fast nur Statuen von Frauen. Maria, Magdalena und ein paar andere
heilige Frauen. Es liegen Teppiche aus, überall stehen Blumen und Kerzen. In
dieser Kirche ist es total gemütlich und sie hat eine starke und besondere
Ausstrahlung. So kommt es mir zumindest vor.
Ein Kruzifix hängt hier auch, aber „nur“ in einem
Seitenflügel. Nicht am Hauptaltar.
Hier verweile ich ein paar Minuten und genieße die Energie dieses
Raumes. Er wurde von Menschen gebaut, Menschen haben diesen Raum mit Gebeten,
Wünschen, Hoffnungen und Meditation erfüllt. Das ist schön.
Als ich wieder herauskomme, begegne ich Gianni noch einmal.
Er hat Probleme mit den Füßen und wird den Rest der heutigen Etappe mit dem Bus
fahren. Raphaele ging schon voraus. Ich empfehle ihm die Kirche, aus der ich
gerade komme. „Sie ist schön kühl und hat eine tolle Energie. Hier drin sind
lauter Frauenstatuen, ein schöner Ort für eine stille Pause.“
„Eine Kirche mit einer tollen Energie? Super, da geh’ ich
sofort hinein.“ Was er tut und ich mache mich auch wieder auf den Weg.
Weil ich schon wieder einmal meinen Pilgerführer nur so
halbherzig überflogen habe, verpasse ich die Abzweigung nach rechts und gehe
geradeaus weiter. Ein Pilgerpärchen folgt mir und hinter denen noch eines. Ein
Mann pfeift wie wild aus dem Fenster und dieses Mal achte ich darauf. Ich kehre
um und gehe den richtigen Weg. Die anderen Pilger, die mir den falschen Weg
hinterher gegangen sind, grinsen mich an. Jaja, das kommt davon, wenn man immer
nur einem Rucksack hinterher geht.
Bei der nächsten Biegung passiert mir dasselbe schon wieder,
obwohl ich den Pilgerführer genau gelesen habe und auch auf die Muscheln achte.
Naja, jetzt habe ich dafür einige Rucksäcke vor mir und laufe einfach denen
hinterher. Die werden hoffentlich nicht auch so schusselig sein, wie ich.
Es folgen wieder einige Kilometer schönste Natur. Als ich
Durst bekomme, mache ich in der nächsten Bar eine Pause und setze mich draußen
auf die Terrasse. Eine ältere Frau befindet sich im Aufbruch. Nachdem sie weg
ist, höre ich, wie die Pilger an den anderen Tischen aufatmen und laut stöhnen.
„Meine Güte, was war das denn? Lass uns noch einen Kaffee bestellen. Wir müssen
ihr einen größeren Vorsprung gewähren, sonst holen wir sie gleich ein und
müssen ihr Gerede noch länger ertragen.“
Die Pilger am anderen Tisch sind derselben Meinung: „Diese
Frau hat auf diesem Weg nur Probleme. Ehrlich gesagt wundert es mich nicht
besonders, dass sie beklaut wurde.“
Ich bin mir fast sicher, dass es sich dabei um die
Oberchristin handelt, vor der mich Hilde schon gewarnt hat. „Nicht urteilen,
ganz locker bleiben“, denke ich, „sonst hast du sie gleich an den Hacken“.
So bestelle ich mir zu meinen Getränken ein opulentes Mal
und lasse mir auf dem ausgesprochen gemütlichen Klo viel Zeit. Um noch mehr
Zeit zu gewinnen, esse ich sogar ein Dessert.
Dann gehe ich weiter.
Es kommt wieder ein wunderschönes Waldstück mit einem Bach,
der den Weg entlang fließt und ich verlangsame meinen Schritt. Nach den Tagen
des Regens und der Kälte ist die Luft zwischen den Bäumen jetzt klar und
frisch. Im August, dem klassischen Urlaubs- und Pilgermonat in Spanien, wird es
hier nur noch heiß und staubig sein. Ich genieße diesen wundervollen Wald und
verweile eine Zeitlang darin.
Nach bisher insgesamt 28 Kilometern an diesem Tag, bekomme
ich so ein deutliches Gefühl, dass es für heute reichen täte. Trotzdem hätte
ich gerne ein sauberes Bett, eine Waschmaschine und eine heiße Dusche. Bis
Portomarin sind es noch 8 Kilometer und die würden noch schwerer werden, als
vielleicht gut für meine Füße ist. So ganz langsam habe ich den Eindruck, dass
meine Füße ausgelatscht sind. Nicht die Schuhe, sondern die Füße. Mein linkes
Knie beginnt ebenfalls zu schmerzen. Noch nicht schlimm, aber unnötig.
Als eine Herberge auftaucht, gehe ich weiter. Warum weiß
ich nicht. Eigentlich wollte ich doch mein Tageswerk beenden und
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