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Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg

Titel: Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Villas
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setzt sich zu mir.
    „Wo ist Wolfgang?“, frage ich sie.
    „Der ist noch in einem Geschäft da oben und kauft
Postkarten.“
    „Jetzt wäre der Moment ihn loszuwerden. Du setzt dich in ein
Taxi und fährst 1-2 Tagesmärsche voraus oder zurück und dann bist du ihn los
und kannst den Rest alleine gehen.“
    „Nein, das kann ich nicht machen, Wolfgang würde mich doch
suchen.“
    „Ja schon. Deshalb bleibe ich hier und erkläre ihm, dass du
weg bist und er alleine weiter gehen kann.“
    Offensichtlich kauft Wolfgang sehr viele Postkarten, denn er
kommt lange nicht. Petra hätte sowohl die Zeit, als auch die Möglichkeit sich
abzuseilen und alleine weiter zu gehen. So wie sie sich das seit vielen Tagen
wünscht, wie sie sagt. Aber sie tut es nicht.
    Na denn…
    Als Wolfgang dann doch noch kommt, verabschiede ich mich und
gehe weiter. Das Leben ist gut. Man bekommt, was man möchte und eben auch das,
was man nicht möchte. Gut ist, wenn man das weiß.
    Der Weg aus Ponferrada führt über eine sehr schmale
Eisenbrücke, die gefühlte 10 Kilometer über dem Wasser verläuft. Mir ist
ausgesprochen mulmig, als ich dieses klappernde Blechding betrete. Ich
überlege, wie hoch meine Überlebenschancen sind, wenn die Brücke unter mir
zusammenkracht und mich mitsamt dem Rucksack in die Tiefe reißt.
    Bloß nicht nach unten schauen. Fixiere einen Punkt am Ende
der Brücke und bewege dich darauf zu. Blicke nicht nach links, blicke nicht nach
rechts und auf gar keinen Fall, schaue nach unten. Viele hundert tausend
Menschen gehen jedes Jahr über diese Brücke und sie steht immer noch. Alles ist
gut. Fixiere den Punkt und gehe ruhig und gleichmäßig weiter. Atme…
    …
    Phuuu, das wäre geschafft. Bin gesund auf der anderen Seite
angekommen. Nichts passiert.
    Es geht weiter. Hoch und runter, durch Wald und Flur.
Irgendwann ist es nur noch Flur und kein Schatten weit und breit.
    Wenn tatsächlich mal ein Baum mit einem kleinen Schatten
kommt, sitzen schon sehr viele Pilger darunter und machen Mittagspause.
    Ich gehe weiter. Heute habe ich das totale Chaos im Kopf.
Kann mich an keinem Gedanken festhalten. Alles was ich denken könnte entgleitet
meiner Konzentration. Ich probiere alles aus: überprüfe meine Probleme, mit
denen ich auf den Jakobsweg gekommen bin und für die ich schon nach drei Tagen
eine Lösung hatte. Ob diese Lösung funktioniert, werde ich sehen, wenn ich
wieder in meinem Alltag bin. Gute Vorsätze habe ich jetzt jedenfalls genug.
    So. Schon wieder fertig gedacht. In meinem Hirn gibt es
demnach nichts zu tun. Es bleiben die Gefühle übrig. Was fühle ich eigentlich,
wenn ich mich einfach nur einmal auf meine Gefühle konzentriere? In diesem
Moment bricht die große Sehnsucht aus. Ich vermisse meinen Geliebten, dass es
mir im Körper schmerzt. Meine Kinder vermisse ich, dass es mich fast umhaut.
Mein Hund fehlt mir und mein Pferd. Ich habe Heimweh. Oh mein Gott, habe ich
ein Heimweh!
    Das letzte Mal als ich Heimweh hatte, war ich sieben Jahre
alt und lag im Krankenhaus. Fast 40 Jahre später trifft mich dieses Gefühl
erneut und zwar mit einer derartigen Heftigkeit, dass es mich schüttelt und mir
die Tränen nur so aus den Augen schießen.
    Das muss der emotionale Tiefpunkt sein. Ich setze mich an
den Wegesrand und lass meinen Tränen freien Lauf. Vermutlich hat der
Schutzheilige über den Jakobsweg aber andere Pläne mit mir und meinem
Flüssigkeitshaushalt, denn ich sitze mitten in einem Ameisenhaufen. Damit ist
das Geheule und die Sehnsucht wieder beendet. Ich stehe auf, befreie mich von
den Krabbeltieren und gehe weiter durch die schattenlose Mittagshitze.
    Singen hilft. Wenn man singt, denkt man nicht. Zwar
befindet sich mein musikalisches Talent eher im unterirdischen Segment, aber
ich singe trotzdem gerne. Auf so einem Jakobsweg hat man ja auch nicht viel
anderes zu tun.
    Ich opfere den Rest meiner Batterie und stöpsle mir Coldplay
ins Ohr. „Viva la Vida“ es lebe das Leben.
    Das hilft. Die restlichen Kilometer, die ich wieder auf
uralten, festgetrampelten Pfaden, neben einer ausgezeichneten und neu
asphaltierten Straße zurücklege, singe ich. Laut und falsch und es ist mir
vollkommen egal ob es jemand hört oder nicht. Mein Geist und meine Seele haben
einen fixen Punkt, an den sie sich halten können und damit neigt sich das Chaos
in meinem Inneren dem Ende zu.
    Nach endlos erscheinenden Kilometern neben einer
Hauptstraße, in der Nähe einer stinkenden Hühnerfarm, ohne Schatten, ohne Bar
und

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