Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
simple Entscheidung so lange Zeit zu
lassen, ohne einen Druck zu produzieren. Zwischen zwei Möglichkeiten zu
verharren, beide Seiten abwägen, mich aber für keine festlegen.
Ich stehe an der Bar wie ein Depp und kann nicht denken.
Lange. Sehr lange.
Dann mache ich es vom Pool abhängig. Wenn dieser zu benutzen
ist, bleibe ich, wenn nicht, gehe ich weiter.
Was völliger Blödsinn ist, denn ich bin kaltwasserscheu und
habe weder einen Bikini noch sonst ein Badezeug dabei.
Der junge Mann erklärt mir, dass der Pool voller Algen sei
und leider nicht benutzt werden könne. Damit ist die Entscheidung gefallen. Ich
bedanke mich und gehe weiter.
Es geht wieder durch Wiesen und Felder und am Wegesrand
entdecke ich einen Gecko oder eine Eidechse, wie ich sie noch nie gesehen habe.
Sie ist grün und hat einen blauen Kopf. Was es alles gibt? Wir beobachten uns
ausgiebig und ich schieße ein Foto von ihr. Wann habe ich mir das letzte Mal
Zeit genommen, so ausführlich ein Tier am Wegesrand zu beobachten? Jakobsweg,
ich beginne dich zu lieben. Du erinnerst mich an mich, als ich noch viel mehr
lebte und viel weniger funktionierte.
Ein paar Kilometer weiter kommt eine Pension, die wirklich
sehr einladend aussieht. Ein schönes altes Natursteinhaus mit Fensterläden und
einer Terrasse, die von Weinreben überdacht ist. Sieht unheimlich toll und
wahnsinnig gemütlich aus. Wie in der Toscana. Hier würde ich sehr gerne bleiben
und ich spreche eine Frau an, die in einem Stuhl sitzt und die Sonne genießt.
„Gibt es hier noch ein freies Bett?“
„Leider nein, dieses Haus ist voll belegt“, antwortet sie
auf Deutsch. Schade, ich muss mir einen anderen Schlafplatz suchen und wandere
weiter.
Na ja, so ist das halt.
600 Meter weiter sehe ich meine Seniorengruppe an einer
größeren Bar in der Sonne sitzen. Welch eine Freude! Es ist eine Pension und
hier gibt es sogar noch freie Betten. Wunderbar! Ich buche mich ein und breite
meinen Schlafsack aus.
Als ich fertig bin, setze ich mich mit meinem Notizbuch in
die Sonne, trinke Wasser und Bier und unterhalte mich mit den Senioren. Auf die
Frage, wie es ihnen gehe, antworten alle mit „sehr gut“.
Erstaunlich. Inge hat Probleme mit dem Knie, die ihr aber
vorher schon bekannt waren. Sie nimmt Tabletten gegen die Schmerzen und geht
dann einfach weiter. Heute ist die lustige Gruppe nur 17 km gelaufen und die
Rucksäcke lassen sie sich inzwischen jeden Tag zur nächsten Herberge fahren.
Sie haben sich jetzt, gegen Ende des Weges, schon überall Betten reserviert.
Was ich voll verstehen kann. In diesem Alter und mit 6 Personen sollte man
organisiert sein. Sonst kann es schnell passieren, dass man ohne Bett da steht,
weil alle Herbergen und Pensionen ab Mittag voll sind. Als Einzelperson bekommt
man schnell noch mal ein Restbett. Zu sechst wird es deutlich schwieriger.
Heinz stellt eine Frage in den Raum des sonnigen
Nachmittags:
„Warum jippt et auf dem Pilgerweg eischentlisch keine
einzige Eisdiele? Die könnten doch een Vermögen mit ‘nem schönen italienischen
Eis machen. Nüscht?“
Das ist allerdings eine sehr gute Frage und eine kluge
Beobachtung. Denn es stimmt! Nicht eine einzige Eisdiele nach italienischem
Vorbild, ist uns auf dem Weg begegnet. Nicht einmal in den Städten. Das mag
natürlich daran liegen, dass wir in Spanien sind, genauer gesagt in Galizien,
aber nichtsdestotrotz, eine Goldgrube wäre es in jedem Fall, bei weit über 100
000 Pilgern jedes Jahr.
Ich schreibe das mal so hin und vielleicht zündet ja in dem
einen oder anderen Auswandererungswilligen, der hier liest, ein Funke und ich
bekomme bei meiner nächsten Pilgertour ein schönes kühles Schleckeis, nach
italienischer Art in die Hand.
Wir unterhalten uns weiter angeregt und ich erfahre, dass
von den fünf Frauen drei verwitwet sind. Anneliese vermisst ihren Mann sehr.
Sie hatten zeitlebens eine sehr glückliche Ehe, haben viel zusammen unternommen
und sich sehr geliebt. Obwohl ihr Mann schon seit fünf Jahren tot ist, trauert
sie noch immer und kämpft auch jetzt noch mit den Tränen.
Inge ist da deutlich pragmatischer. Sie musste ihren kranken
Mann sehr lange pflegen und nun pflegt sie ihre Mutter schon seit einigen
Jahren. Ich glaube, sie musste erst lernen an sich zu denken. Inge liebt ihre
Enkelkinder und unternimmt viel mit ihnen. Auf mich wirkt sie manchmal leicht
schusselig und chaotisch. Dabei ist sie direkt und ehrlich. Auf ihre Art sehr
sympathisch.
Elke sieht das alles nicht so
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