Schuhwechsel: Als Hausfrau auf dem Jakobsweg
einer Weile kippte seine Stimmung von
aggressiv in selbstmitleidend um. Er warf sein Messer weg und weinte sich an
meiner Brust aus.
Fieberhaft und hellwach überlegte ich mir einen Fluchtweg.
Die Schranke des Campingplatzes war zu, es war schon nach 23.00 Uhr, meine
Autoschlüssel hatte er sich aus meinem Zelt geklaut, als er mich suchte und
meinen Hund konnte ich nicht bei ihm zurücklassen. Der wäre sonst am nächsten
Tag tot gewesen.
Sobald er bemerkte, dass ich egal was versuchte, um aus
seiner Gewalt fliehen zu können, kippte seine Stimmung wieder in die
Aggression. Er schnappte sich sein Messer, welches so weit weg von ihm nicht
lag und bedrohte mich aufs Neue.
So ging das die ganze Nacht hin und her. Einmal hatte ich
dieses Springmesser mit der Klinge am Hals, oder am Herzen und er erklärte mir
dabei in welchem Winkel er zustechen müsse, damit er das Herz auch sofort
erwischt, dann hing er mir wie ein Baby an der Brust und heulte über sein
verpfuschtes Leben, das nur noch durch Drogenhandel im großen Stil zu retten
sei oder durch eine Frau wie mich.
Am anderen Morgen begann die Wirkung des Schnapses langsam
nachzulassen. Seine aggressiven Phasen wurden weniger aggressiv und dauerten
nicht mehr ganz so lange. Dafür tat er sich nun nicht mehr nur selber Leid,
sondern inzwischen empfand er sogar Mitleid für mich und was er mir angetan
hatte.
Ich konnte in meine lebenserhaltenden Reden vorsichtige
Vorwürfe einbauen.
Als die Schranke um 8.00 Uhr öffnete, wollte er alles wieder
gut machen und mir etwas schenken. Er zwang mich, ihn mit meinem Auto in die
nahe gelegene Stadt zu fahren. Während ich die Messerspitze an meinen Rippen
spürte, überlegte ich, an welchen Baum ich rasen sollte. Oder doch vielleicht
lieber ins Wasser? Egal welche Variante ich gewählt hätte, er wäre mit seinem
Messer in jedem Fall schneller, als ich mit dem Auto irgendwo gegen fahren
hätte können und wir wären beide schwer verletzt geendet.
Zumal ich mich nicht anschnallen durfte, er aber schon.
In der Stadt kaufte er mir dann von dem Geld, welches er
mir vorher unter Gewaltandrohung abgeknöpft hatte, eine Halskette. Ich suchte
mir die Teuerste aus, denn wenn es schon mein Geld ist, dann fließt es
wenigstens auf diese Art wieder zu mir zurück.
Später saßen wir am Hafen und ich musste ihm meine Liebe zu
ihm beteuern und dass ich ihn nie verlassen werde und wir heiraten würden und
wir zusammen Kinder bekommen würden.
Dann wollte er mit mir schlafen, wegen den Kindern und so.
Ich konnte ihn davon überzeugen, dass ich gerade fruchtbar bin und wenn er
jetzt mit dem ganzen Schnaps im Blut ein Kind zeugen würde, wäre dieses
bestimmt nicht gesund und das wollen wir ja nicht in unserer perfekten Familie.
Viel besser und romantischer wäre es doch am selben Abend, wenn wir beide
ausgeschlafen sind. Das erste Mal zusammen soll ja auch etwas Besonderes sein.
Im Gegensatz zu mir, begann er müde zu werden.
Gegen Mittag bekam ich Hunger und wollte in eine Bar. Er
gestattete mir dies und ging dort auf die Toilette. Mit meinen Autoschlüsseln,
meinem Hund und meinem Geld.
Trotzdem war dies meine Chance. In diesem Moment sprach ich
perfekt spanisch und erklärte dem Barbesitzer und seinen Kellnern, was hier
läuft und sie versprachen mir, auf mich aufzupassen. Mit meinem frischen
Veilchen im Gesicht war ich absolut glaubwürdig.
Der stärkste Kellner dieser Bar stellte sich neben mich und
als mein Peiniger aus der Toilette kam, konnte ich ihm erklären, dass sich das
Blatt gewendet hat.
Ich nahm ihm wieder mein Hund, mein Geld, meine
Autoschlüssel und sein Messer ab, bezahlte die Rechnung und bedankte mich aufs
Herzlichste bei dem Personal. Die Jungs versprachen mir, ihn noch mindestens
eine Stunde fest zu halten und mir so einen Vorsprung zu gewähren. Ich fuhr
sofort zurück zum Campingplatz, packte so schnell wie möglich meine Sachen und
verschwand.
Dieser Kerl begegnete mir nie wieder. Aber ich habe daraus
gelernt und war ab sofort nicht mehr so naiv wie vorher. Ich passte sowohl auf
mein Geld als auch auf meine Autoschlüssel viel besser auf.
„Wenn du willst, helfe ich dir Wolfgang loszuwerden“,
flüstere ich Petra ins Ohr, „flüchten kann ich gut.“
„Nein, nein“, flüstert sie zurück, „ich kann ihn doch nicht
so einfach stehen lassen. Er sucht doch dann nach mir.“
„Oh, das ist einfach. Ich übergebe ihm einen Brief von dir
oder sag ihm, dass du ohne ihn weiter bist. Dann weiß er
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