Schuhwechsel
Bilder von der Landschaft und von Kirchen, aber kaum eines von sich selbst.
Dann beginnt der Aufstieg. In den Bergen hängen tiefdunkelgraue Wolken. Da oben schneit es wohl!
Macht nichts, voller Elan und Tatendrang, marschiere ich dem grauen Elend entgegen. Hape schrieb irgendetwas von den wilden Hunden von Foncebadón und dass der Aufstieg voll gruselig sei. Soll mir recht sein! Abenteuer, ich komme!
Also, an der Landschaft ist nichts auszusetzen. Der Berg ist schön. Die Wege sind gesäumt von steinernen Männchen, die Bäume sehen gut aus und wenn ich mir vorstelle, wie der Weg wohl sein mag, wenn es mal nicht zwei Wochen geregnet hat, dann kann man der Gegend durchaus eine gewisse Schönheit abgewinnen. Sonst sehe ich nichts. Die graue Wolke hat mich ziemlich schnell geschluckt und dann bleiben mir ca 10 Meter Sicht. Für meine Füße und den Weg reicht es gerade.
Habe ich gerade von Weg gesprochen? Halt, der Weg ist knöcheltief überflutet. Auf dem, was mal ein „Weg“ war, kann man mit einem Kanu paddeln, aber keinesfalls gehen. Daneben ist es matschig und dementsprechend glitschig oder sehr, sehr steinig. Das Material für die steinernen Männchen wird ja nicht extra geliefert.
Es regnet und es bläst ein eiskalter Wind.
Ein Glück, dass ich an einen seidenen Schal gedacht habe, den ich mir nun um die Ohren binde. Mein Gott, ist das Wetter unspanisch.
Habe einen grauenhaften Ohrwurm „Rucki-zucki ramtamtam ruuukizucki ramtamtam“.
Ein rhytmisches Lied, welches gut zu meinem Schritt passt, trotzdem ist es nach ein paar Stunden nicht mehr zu ertragen. Versuche es mit „Lieschen, Lieschen, Lieschen komm ein bisschen, bisschen, bisschen…“, aber das ist nicht mein Tempo.
Krame lieber meinen iPod aus der Tasche und höre U2: „Where the streets have no name“.
Ich gehe weiter. Mir darf nicht kalt werden. Esse einen Bundeswehr-Power-Riegel und finde ihn ausgezeichnet. Fange an zu singen. Die Gegend wird immer bizarrer. Jetzt geht der Regen in Schnee über und der Wind pfeift noch kälter.
„Naja, dann wird es jetzt halt schwer“, denke ich und wandere fröhlich weiter, „irgendwann wird es schwer und da muss man durch. Wann ist egal, Hauptsache man verliert nicht die gute Laune.“
So laufe ich denn gegen 18.00 Uhr im verschneiten Foncebadón ein, ohne irgendeinem Hund begegnet zu sein. Es gibt inzwischen tatsächlich drei große Herbergen in diesem Bergdorf. Sonst aber nichts. Ein paar verfallene Ziegenställe vielleicht. So genau lässt sich das in dem Nebel nicht erkennen. Ich suche mir die schönste Herberge aus und wandere darauf zu. Da kommt mir ein anderer Pilger entgegen und sagt mir in einem ziemlich verzweifelten Ton, dass alle Herbergen voll seien und es keine Aussicht auf einen trockenen Schlafplatz gäbe.
Aha, jetzt wird es also richtig schwer. Ich gehe trotzdem in eine dieser Herbergen und rede mit dem Chef.
„Alles voll,“ sagt der in einem derartig mürrischen Ton, dass ich lieber nichts mehr frage und ein Bier bestelle.
Alleinpilgernde Biertrinkerinnen kann er wohl überhaupt nicht leiden, deshalb kassiert er schnell ab und schaut mich so grimmig an, dass ich mein Bier schnell austrinke und beschließe, erst einmal weiter zu gehen. Denken kann ich auch in der Kälte.
Da ich weder katholisch bin, noch so schwere Sünden begangen habe, dass ich nicht getrost auf deren Erlass verzichten könnte, beschließe ich nicht eisern und um jeden Preis meinen Weg zu pilgern, sondern zu trampen. Ein Taxi oder ein Bus kommt in dieser gottverlassenen Gegend sowieso nicht vorbei, also werde ich mich mir Bewegung warm halten und hoffen, dass ein Auto vorbei kommt und Mitleid mit einem armen, durchnässten Pilgerweib hat.
Die Aussichten könnten nicht trüber sein und genau von diesen schieße ich ein Foto.
Meinen iPod stöpsle ich aus dem Ohr, damit ich ein Auto höre, wenn denn eines kommen sollte.
Während ich im Nebel durch das Nirgendwo gehe, denke ich an Gott:
„Jetzt gehe ich auf deinem Weg, das Wetter ist total beschissen, die Herbergen sind alle voll und in vier Stunden wird es dunkel. Toll!“
Aber was beklage ich mich? Ich wollte mal wieder eine Herausforderung und die hab ich jetzt. Ich gehe in die Offensive direkt mit Gott: "Wenn ich schon auf deinem Weg wandle und du so ein scheiß Wetter machst, dann sorge auch für mich!“
Nun bin ich sehr gespannt was „ihm“ einfällt.
Komisch, Gott zu vertrauen fällt mir leichter, als jedem Mann, den ich kenne. Vielleicht
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