Schulaufgaben
einen Fragebogen aus, ließen den Computer einrichten und freischalten, gingen zur Buchhaltung. Ich hörte viele Sprachen, neben Englisch tatsächlich am häufigsten Deutsch. Offenbar war die Quotierung nötig gewesen. Alles war aufregend, doch am meisten beschäftigte Alex die Zimmerfrage: Mit wem würde er es sich teilen? Alex drückte sich selbst die Daumen: »Bitte, bitte lasse es jemanden aus Japan sein.« Alex hatte gerade Sushi für sich entdeckt. Wir erreichten das Haus. Der Warden empfing uns und stellte sich kurz vor. Schließlich meinte er: »Nick, your roommate, is already here.« Nick? Also kein Japaner. Nick kam aus Singapur, doch er kannte sich mit Sushi bestens aus, wie sich bald zeigte. Sein Bruder besuchte die dritte und letzte Stufe der Schule. Für die meisten Eltern von Schülern dieser privaten Schulen war es ganz normal, dass ihre Kinder über Generationen auf dieselbe Schule gehen. Diese internationalen Schulen finanzieren sich aus hohen Eltern- oder auch Firmenbeiträgen und können daher nur von Kindern reicher Familien besucht werden. Es ist also naheliegend, sie »als die hoch selektiven ›neuen Standesschulen‹ der globalen Managerelite zu bezeichnen.« 2 Wie auch in anderen Privatschulen wird »Internationalität als eine Variante kulturellen Kapitals erworben, welche eine neue Form der sozialen Distinktion ermöglicht.« 3
Wie die meisten internationalen Schulen zielt auch diese Schule auf das IB. IB steht für International Baccalaureate, ein Abitur, welches überall auf der Welt anerkannt wird und die Aufnahme eines Studiums ermöglicht. Man könnte sagen, dass IB ist ein internationales Zentralabitur. 4 Im sogenannten Pre-IB erhält man zunächst eine breite Einführung in unterschiedliche
Fächer. Nur Englisch und Mathematik werden über alle drei Terms unterrichtet, also das ganze Schuljahr hindurch. Der Schwierigkeitsgrad wird an die Schülerinnen und Schüler angepasst. Die anderen vier Fächer, die man im Pre-IB belegt, ändern sich schon in jedem Term, also etwa alle zehn Wochen. Es handelt sich um Ökonomie, Philosophie, Psychologie, Kunst, Musik, Physik, Chemie, Biologie und verschiedene Sprachen. Dabei darf man ein Fach höchstens zwei Mal im Jahr wählen. Man lernt also über die Zeit mindestens zehn unterschiedliche Fächer kennen. Das Pre-IB gleicht damit einem Studium Generale.
Einige Schüler kommen nur für das Pre-IB ans College und kehren nach dem Jahr an ihre Heimatschule zurück. So planten es auch Alex und seine Eltern. Doch die meisten Schülerinnen und Schüler nutzen das Pre-IB, wie es gedacht ist. Sie bereiten sich auf die IB-Zeit vor und denken über ihre spätere Fächerwahl nach. Sollten sie die nötige Motivation zeigen und die Mindestleistungen erbringen, beginnen sie nach dem Pre-IB mit ihrer zweijährigen IB-Ausbildung: ein Jahr IB 1, dann eines IB 2. Zuvor legt man die Kombination seiner Fächer fest. Meist wählt man jene, für die man sich im Pre-IB besonders interessiert hatte und die der Tutor, ein persönlich zugewiesener Lehrer, nach vielen Gesprächen empfiehlt. Am Ende von IB 1 werden die ersten Examensarbeiten geschrieben, deren Noten schon für das IB zählen. Mit diesen Noten kann man sich bei den gewünschten Universitäten bewerben und erhält dann bestenfalls ein conditional acceptance , ist also unter Vorbehalt zum Studium angenommen. Erreicht man beim IB 2 erneut diese Noten, hat man den Studienplatz fest in der Tasche. Vor der Bewerbung an der Universität werden die Schülerinnen und Schüler gezielt vom placement office , einer Vermittlungsstelle der Schule, beraten; die Schülerinnen und Schüler besuchen auch university days , an denen sich die Universitäten vor Ort vorstellen und um neue Studierende werben.
All diese Informationen erhielten die Neuankömmlinge am Tag ihrer Einschulung. Gwendolyn Thomsen, die Direktorin, und Eileen O’Brian, zuständig für alle Angelegenheiten der Schüler, begrüßten die Kinder samt ihren Eltern zum neuen Schuljahr. In einem großen Festzelt hinter dem College fanden alle Gäste Platz. Fast alle Eltern der Kinder des Pre-IB und von IB 1 waren gekommen. Viele Eltern waren bereits zum dritten Mal da und begleiteten ihre Kinder zu ihrem letzten Schuljahr, dem IB 2. Den meisten Eltern fiel es schwerer als ihren Kindern, sich untereinander zu verständigen. Das lag natürlich zunächst an den unterschiedlichen Sprachen, doch die Fremdheit der Kulturen trug das ihre dazu bei. Diese Fremdheit
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