Schulaufgaben
erzähle diese Geschichte, weil ich betonen möchte: Für eine nationale Bildungsstrategie zu sein, heißt nicht, Inhalte, Unterrichtsziele und Unterrichtsstile national gleichzuschalten und zu normieren. Im Gegenteil. Eine nationale Bildungsstrategie lebt von der Vielfalt, von der passgenauen, direkten und persönlichen Wissensvermittlung, die dem einzelnen Kind gerecht werden kann. Eine nationale Bildungsstrategie
zielt aber gegen die räumlich strukturierte, soziale Ungleichheit in den Bildungs- und Lebenschancen.
Wir stehen vor allem vor drei Herausforderungen: Leistung wird ungerecht bewertet, Chancen werden ungerecht verteilt, und absolute Bildungsarmut wird nicht verhindert. 1
Kleinstaaterei verhindert die Bildungsrepublik
Das Ausmaß der absoluten Bildungsarmut, die Bildungsergebnisse und die Bildungschancen unterscheiden sich nicht nur national zwischen den sozialen Schichten, sondern auch wesentlich zwischen den Bundesländern. Das muss nicht automatisch am Bildungsföderalismus liegen. Vielmehr gelingt es nicht, die Schulentwicklungsprozesse in den einzelnen Bundesländern aufeinander abzustimmen und auf gemeinsame Ziele und Instrumente auszurichten. Die deutsche Kleinstaaterei hat viele Gesichter: In einem Bundesland ist der Besuch des Kindergartens für ein Jahr kostenlos, in einem anderen für drei Jahre, in dem nächsten werden die Gebühren nach der sozialen Lage der Eltern gestaffelt. In den 16 Bundesländern werden 24 verschiedene Tests eingesetzt, um die Sprachfähigkeit von Kindern vor der Einschulung zu ermitteln.
Von Bundesland zu Bundesland unterscheidet sich die Dauer der Grundschulzeit, die Anzahl und Art der Schulzweige der Sekundarstufe, die Dauer der Pflichtschulzeit sowie die Dauer der Schulzeit bis zum Abitur. Jedes Bundesland regelt den Übergang zur Sekundarstufe, bei Versetzungen oder beim Schulformwechsel anders. Die Kriterien für die Notengebung, die Unterrichtsinhalte, die Anzahl und Art der Fächer, die in der Sekundarstufe gewählt werden können, sowie die Klassenstufe, in der mit der zweiten Fremdsprache
begonnen wird – auch hierfür finden sich in jedem Bundesland andere Bestimmungen. Von einer Bildungsrepublik Deutschland sind wir weit entfernt.
Die föderale Struktur bremst Innovationsdynamiken
Nun könnte man argumentieren, ein föderales System kurbele den Wettbewerb an. Dies wäre der Fall, wenn Bildungsmärkte entstünden. Die besseren Bildungssysteme würden sich durchsetzen, die schlechteren würden verschwinden. Doch im Bereich von Schulen auf die »unsichtbare Hand des Marktes« zu hoffen ist unangebracht. Das hat mehrere Gründe:
Die »Kunden«, Schüler und Eltern, sind nicht mobil. Sie können nicht einfach mit den Füßen abstimmen und in die Bundesländer wechseln, die ihnen die bessere Bildung bieten.
Die Schulsysteme entziehen sich dem direkten Vergleich. Es ist völlig ungewiss, wie sich die unterschiedlichen Schulsysteme auf Bildungschancen und Bildungsergebnisse auswirken. Hier genügt ein Blick auf den gerade erschienenen Chancenspiegel. 2 Er vergleicht alle Bundesländer entlang mehrerer Kriterien, die alle für Chancengleichheit stehen. Betrachtet man nun die Bundesländer über alle Kriterien hinweg, findet man keine klaren Spitzenreiter. Mal steht dieses, mal jenes Bundesland auf den vorderen Rängen. Dies macht deutlich: Wir müssen uns zunächst darüber verständigen, welches Ziel wir mit unserer Bildungspolitik überhaupt anstreben.
Viele Fragen zu Bildungschancen und Bildungsergebnissen lassen sich bisher nicht beantworten. Hier fehlen schlicht geeignete empirische Daten, und die vorhandenen Informationen sind häufig nicht frei verfügbar. Denn die Länder scheuen sich vor einem offenen Vergleich durch die empirische
Bildungsforschung. Die Forschung kann sich faktisch nur auf die allgemein abrufbaren Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder stützen. Und selbst hier ist eine differenzierte Auswertung mancher Fragen schwierig. Genauso wenig dürfen mit den Daten des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) länderspezifische Untersuchungen vorgenommen werden. Bis heute gibt es keine öffentlich zugängliche Datengrundlage, mit der sich aussagekräftige Ländervergleiche erstellen ließen. 3 Deshalb ist es nicht möglich zu ermitteln, wie Schulsysteme mit Bildungsergebnissen zusammenhängen oder welche Muster der sozialen Ungleichheit beim Bildungserwerb wirken.
Die Schulstatistik ist
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