Schuld währt ewig
die Hände. »Saukalt heute. Jetzt freue ich mich richtig auf einen heißen Cappuccino mit ganz viel Milchschaum.«
Das Handy in Dühnforts Manteltasche begann zu vibrieren. Er zog es hervor, während er Gina die Tür aufhielt. Staatsanwalt Christoph Leyenfels meldete sich. »Hallo, Tino, tut mir leid, dich zu stören. Wir haben hier einen etwas seltsamen Verkehrsunfall mit einem Toten. Ich würde mich wohler fühlen, wenn ihr das übernehmt.«
4
Gina stoppte den Wagen an der Polizeiabsperrung. »Sind wir jetzt Leyenfels’ Wellnessteam, oder was? Er würde sich wohler fühlen …« Sie verdrehte die Augen.
Inzwischen war es dunkel geworden. Rotierende Blaulichter und die Scheinwerfer der Einsatzfahrzeuge erhellten den gesperrten Straßenabschnitt. Ein Notarztwagen verließ den Unfallort. Gina wies sich aus. Die Kollegen winkten sie durch. Nach fünfzig Metern stoppte sie neben dem Bus des Unfallkommandos. Weiter vorne leuchtete eine Abdeckplane hell in die Dunkelheit. Darunter lag der Tote. Hinter der Absperrung hatten sich Schaulustige versammelt. Immer wieder flammten Blitzlichter auf. Was machten die Leute nur mit diesen Bildern?
»Wir schauen uns das jetzt an und dann sehen wir weiter, Frau Kollegin.« Dühnfort zwinkerte Gina zu und stieg aus.
»Aber sicher doch, Boss.« Mit einem leisen Plong ließ sie die Tür zufallen.
Die Luft war beißend kalt. Stimmengewirr drang von der Absperrung herüber. Etliche Fenster der angrenzenden Häuser waren trotz der Kälte geöffnet. Neugierige blickten auf die Straße. Heute blieben die Flachbildschirme dunkel. Heute gab es die Show live vor der Haustür. Dühnfort schlug den Kragen hoch, steckte die Hände in die Manteltaschen und sah sich nach dem Staatsanwalt um.
Ein Leichenwagen des städtischen Bestattungsinstituts fuhr vor. Leyenfels hatte die Obduktion also schon angeordnet. Dühnfort entdeckte ihn auf der anderen Straßenseite in einer Bäckerei. Er stand an einem Stehtisch und besprach sich mit dem Leiter des Unfallkommandos.
»Ich höre mich mal ein bisschen um.« Gina wandte sich ab und stapfte auf den Bus zu, in dem ein Zeuge seine Aussage zu Protokoll gab.
Dühnfort sah ihr einen Moment nach, bevor er die Bäckerei betrat. Wärme umfing ihn. Der würzige Duft nach Bauernbrot stieg ihm in die Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hinter dem Tresen stand eine Verkäuferin und polierte die Ablagefläche.
Der Staatsanwalt war ein Mann mit über eins neunzig Körpergröße, dem ein leicht gebückter Gang zu eigen war. Schlürfend beugte er sich über eine Tasse Kaffee, die er abstellte, als er Dühnfort entdeckte. »Hallo, Tino. Lausiges Wetter heute.«
Dühnfort begrüßte Leyenfels und dann den Leiter des Unfallkommandos. Volker Schellenberg, ein drahtiger Mittfünfziger mit Bürstenhaarschnitt, reichte Dühnfort die Hand. »Schön, dass Sie da sind. Ich denke, der Fall gehört der Kripo.«
Das beteiligte Unfallfahrzeug hatte Dühnfort nicht entdeckt. Sachbeweise, die Schellenbergs Einschätzung stützten, gab es also nicht. Wenn er statt Unfallflucht einen Mordanschlag vermutete, konnte das nur einen Grund haben.
»Ich hoffe, es gibt mehr als einen Zeugen.« In der Bäckerei war es warm. Dühnfort knöpfte den Mantel auf.
»Zwei. Sie haben das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven beobachtet, und ihre Aussagen decken sich.« Der Stehtisch wackelte, als Schellenberg sich aufstützte.
Zeugenaussagen waren eine Sache für sich. Das Gedächtnis war nur allzu gern bereit, fehlende Kausalzusammenhänge selbst herzustellen und dann für bare Münze zu nehmen. Dühnfort war skeptisch. »Aufzeichnungen einer Überwachungskamera wären mir ehrlich gesagt lieber.«
»Gibt es leider nicht. Ich schätze die Zeugen als zuverlässig ein. Sie sind keine sehbehinderten und Hörgeräte tragenden Rentner.« Ein verärgertes Lächeln erschien für einen Augenblick auf Schellenbergs Gesicht. »Jens Flade, so heißt der Tote, wurde ohne zu zögern überfahren und der beteiligte Wagen erst fünfundzwanzig Meter hinter der Unfallstelle abgebremst, als der Fahrer kurz hielt. Selbst wenn der Fahrer Flade in der Dämmerung nicht gesehen haben sollte, ist der Tritt auf die Bremse bei einem Unfall ein Reflex. Es sei denn, man hat nicht vor, auf die Bremse zu treten.«
Das zu späte Aufleuchten von Bremslichtern war also alles, was für ein Tötungsdelikt sprach. Dühnfort war von seiner Zuständigkeit nicht überzeugt. »Ich würde gerne mit den
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